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2012 – Das Ende aller Zeiten

2012 – Das Ende aller Zeiten

Titel: 2012 – Das Ende aller Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian D’Amato
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unwillkürlichen Schauder aus. Achthundertvierundfünfzig Jahre später würden die Azteken sie blasen, um Cortez zu verscheuchen. Die mul leuchtete und rauchte wie ein Vulkan. Endlich verschwand der rote Schatten des Fressers – ganz planmäßig, wie ich den anderen gern gesagt hätte, doch ich versuchte, mich zurückzuhalten –, und zischender Jubel setzte ein, der schließlich in vier oder fünf rivalisierende Versionen derselben Pfeifhymne überging, die sich unermüdlich als metrumfreie Fuge wiederholte. Die Häsin leuchtete auf dem Gipfel der schwarz-roten mul und zögerte einen Moment, als müsse sie sich entscheiden, auf welcher Seite sie hinunterrennen wollte. Ich schlief nicht mehr, ich döste.
    Im Morgengrauen kamen die Läufer zurück und sagten, es gebe einen Aufruhr bei »Wo ihre Großmutter lebte« – das musste bei San Martín Texmelucan sein, auf der Hauptstraße zum See; darum beschlossen wir, die südlichere Route zum Altiplano zu nehmen, über den Paseo Cortés. Die Straße stieg wie über eine verwitterte Riesentreppe von einem Berg auf den anderen. Wir kamen an weiten Flächen abgebrannten Waldes vorbei, die mit rauchenden, an große Bienenstöcke erinnernden Kalköfen gesprenkelt waren. Ziemlich bald verschwanden auch die wenigen Hartholzbäume, die man aus religiösen Gründen stehen gelassen hatte. Pinyon-Kiefern und Savannengras übernahmen die Hänge. Die Leute wohnten hier in Feldsteinhäusernund bauten schwarzen Mais mit kleinen Kolben an. Zwischen den Felsblöcken funkelten haufenweise Obsidiansplitter. Obsidian war für Teotihuacán, was der Stahl während der industriellen Revolution für England oder Deutschland gewesen war: Auf der ganzen Welt gab es einen unerschöpflichen Bedarf, und wie Stahl schien Obsidian ein Virus der Militarisierung zu sein. Eine Straße nach der anderen mündete in die Hauptstraße. Der Zederngeruch war überall, aber er kam nicht von lebenden Bäumen, sondern von geschlagenem Holz, das aus den Wäldern im Nordosten herantransportiert wurde. In der Nacht sank die Temperatur auf fünf Grad, was uns eisig erschien. Unsere Hunde trieben Waldhühner und Schnepfen aus den Wacholderbüschen, und erstaunlicherweise erlegte 2-Hand mit dem von Hand geschleuderten Speer ein Rebhuhn. Um ihn zu bestrafen, weil er das Tempo unterbrochen hatte, verlangte 12-Kaiman von ihm, das Tier einem der Einheimischen zu schenken. Mein Knie war besser geworden, und ich versuchte zu laufen, doch als die Gipfel in Sicht kamen, geriet ich wie alle anderen außer Puste und ließ mich in einen Tragesitz sinken. Sollten die Proleten sich damit abmühen. Über PC war ich inzwischen hinaus.
    Mit den Gipfeln meine ich natürlich Itzaccíhuatl und Popocatépetl zu unserer Linken und weit weg zur Rechten den Vulkan Tláloc. Wir nannten sie 1-Hunahpus mul , 7-Hunahpus mul und Kochender Chac. Die meisten Kegel in der Gegend waren seit der Eiszeit erloschen, aber der Popo zeigte ein bisschen Aktivität, vielleicht aus Sympathie für den San Martín, und über seinem Osthang hing Staub. Trotzdem, dachte ich, war das eine hübsche kleine Eruption, vielleicht eine 1,5 auf dem Vulkanexplosivitätsindex. Hätten wir jetzt 1345, 1945 oder 1996, steckten wir in Schwierigkeiten.
    Unser zwanzigster Reisetag war sonnig, nur ein paar verstreute Wolken trieben nach Osten. Am Mittag überquerten wir die höchste Stelle des Passes. Die Seen der Schwingen, der Mexiko-See, erstreckte sich fast 1400 Höhenmeter unter uns, mandelförmig von den Armen zweier Sierras umfangen. Von hier aus konnte man sehen, dass er breit und still war; seine Ufer waren von kleinen Schlammvulkanen und Ausliegerbergen bogenförmig verziert, und vor lauter Entengrütze undSchilf in Ufernähe zeigte er ein minzfrisches Grün, das aber zum offenen Wasser hin verblasste, wo er so spiegelglatt war wie eine Pfütze aus Quecksilber. Man konnte sehen, dass der fernste Punkt des anderen Ufers etwa 65 Kilometer weit weg war und der Talkessel bewohnt; das Ufer war mit Dörfern gesprenkelt und der See von Dammstraßen überzogen, zwischen denen sich Kanus, Lastkähne und große runde Flöße drängten.
    Wenigstens brauchte ich mich jetzt nicht mehr zu wundern, wieso der See Nacananomacob genannt wird, »Seen der Schwingen«. In der Nähe des Ufers wateten große Schwärme von bach haob’ und halach bach haob’ , Silberreihern und Schneesichlern, und Scharen von kuka’ob’ , Nacktkehlreihern, die in Schleifen das seichte Wasser

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