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2012 – Das Ende aller Zeiten

2012 – Das Ende aller Zeiten

Titel: 2012 – Das Ende aller Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian D’Amato
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dass sie ein bisschen neugieriger ist. Sie muss sich doch fragen, was für ein Addierer ich bin, wie ich all den Kram in dem Brief sehen konnte – na ja, egal. Okay. Versuch, sie zu ködern.
    »Ich weiß, dass die Stadt der Schneiden nur noch wenige Handvoll Sonnenlicht besitzt«, sagte ich.
    »Dieses Licht, das letzte und das nächste«, erwiderte sie. »Ganz wie es war, seit ich hierher kam.«
    Es war, als sagte sie: »Das ist normal. Weißt du etwas Neues?« Die korrekte höfliche Antwort war es nicht. Aber vielleicht glaubte sie über den Manieren zu stehen.
    »Ch‘ak sac la hun Kawak, ka Wo«, sagte sie. Das bedeutete: »Beginne nichts an 10 Hurrikan, 2 Kröte.« Doch vom Sinn her war es nachdrücklicher, wie etwa: »Triff an diesem Tag nicht einmal eine Entscheidung. Bleib einfach drinnen und gehe jedem Ärger aus dem Weg.«
    Ich schnalzte.
    Gut, bedeutete sie mir.
    Sie erhob sich.
    Sie schwankte ein wenig und humpelte um mich herum zur Eingangsklappe. Ich hörte sie rascheln.
    Ich war allein. Ich saß vierhundert Schläge da, dann weitere vierhundert. Sie kam nicht zurück.
    Was soll denn das, fragte ich mich. War das alles? Sie geht einfach so? Das tut hier sonst niemand. Was zum teuflischsten Teufel …?
    Ich saß und zählte vierhundert Schläge. Ich lauschte. Ich hörte absolut nichts. Wie schaffen sie es, dass es hier drinnen so still ist? Offenbar hatte man das Gebäude so errichtet, dass es den Lärm der Stadt abwies. Ich spürte keine Luftströmung. Der Rauch der Fackel zog in fast gerader Linie zum Ochsenauge hoch. Ich saß weiterhin da.
    Verdammt, dachte ich. Was für ein Reinfall. Vielleicht haben wir die ganze Reise umsonst gemacht. Vielleicht wollte 2JS mich nur loswerden. Vielleicht kommt jetzt jemand von hinten rein und erwürgt mich. Vielleicht ist Frau Koh gar nicht so toll. Klasse, warum gerate ich immer an die zweite Garnitur? Ich müsste nur einmal jemand Tolles treffen. Nur einen Menschen hier, der in der Lage ist, die Initiative zu ergreifen.
    Ich zählte weitere achthundert Schläge. Ich wusste allmählich nicht mehr, wo oben und unten war. Irgendetwas in dem Kakao versetzte mich in irgendeinen Zustand. Welchen, da war ich mir nicht sicher, aber ein Zustand war es.
    Vielleicht hätte ich ihr mehr sagen sollen. Was im Brief stand, reichte wahrscheinlich nicht, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Und wenn ich es recht bedachte, warum hatte 2JS eigentlich gewollt, dass ich so wortkarg blieb? Vielleicht wollte er gar nicht, dass ich etwas allzu Beeindruckendes sagte, damit sie dachte, dass die Information von ihm kam. Er wollte nicht, dass Koh von mir zu sehr beeindruckt war, damit ich nicht zu großspurig wurde. Oder zu selbstständig.
    Na ja, zu spät.
    Vielleicht kehre ich einfach dahin zurück, wo ich herkam. Wenn ich überhaupt den Ausgang finde. Vielleicht bleibe ich auch noch ein paar Stunden sitzen und schaue, was passiert. Vielleicht …
    Scheiße!
    Ich betrachte mich nicht als furchtbar tollen Beobachter, jedenfalls nicht außerhalb der Grenzen von etwas, das ich kontrollieren kann, wie dem Spiel. Doch aus welchem Grund auch immer – vielleicht, weil ich nun eine ganze Weile ein Gefühl hatte, wie man es manchmal bekommt, wenn man nachts allein ist in einem hell erleuchteten Haus ist,einem Haus, dem die psychohygienische Vorkehrung von Jalousien an jedem Fenster fehlt, und plötzlich überfällt einen die Sicherheit, dass man beobachtet wird, und nicht von einem Freund, oder vielleicht auch, weil ich ziemlich frustriert war, ich streckte jedenfalls die Hand vor, nahm die Fackel aus dem Halter und schlug sie am Boden aus. Ein kleiner Funkenvesuv stob auf. Wie gesagt, bestand die Fackel aus einer Garbe von Wachsmyrtenzweigen, die in Talg getaucht waren, und die brennenden Beeren tanzten über die Matten – ich vermute, sie waren ein wenig angefeuchtet, wie eine Tatami – und erloschen.
    Ich saß in der Schwärze da. Im Ochsenauge sah man nicht einmal mehr eine Spur Blau. Die Dämmerung ist hier nicht stark genug, dachte ich. Ich blieb im Dunkeln sitzen. Sieh’s ein, Jedster. Du hast es vermasselt. Gründlich. Ich sah zu, wie die glühenden Myrten eine nach der anderen erloschen, wie eine sterbende Galaxie.
    Ich lauschte. Nichts. Ich glaubte etwas zu sehen.
    Noch war genau vor mir ganz wenig Licht im Raum. Es war gleich vor mir. Oder nein, es war nicht im Raum, es kam von außerhalb. Auf Knien rutschte ich vor zu dem Herddeckel, wo Koh gesessen hatte, und spähte in die

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