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2012 – Das Ende aller Zeiten

2012 – Das Ende aller Zeiten

Titel: 2012 – Das Ende aller Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian D’Amato
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wie auf 2 JS ‘ Modell, sondern zeigte die normale Hauptfarbe der Maya, wenngleich sie wie bei allen Maya-Frauen der oberen Kasten, die nie in die Sonne kamen, blass war. Vielleicht war ein wenig tätowiert worden, aber nur, um die Grenze zwischen den beiden Zonen herauszuarbeiten. Die Grenzlinie wirkte ein bisschen zu glatt und schwungvoll, um natürlich zu sein. Die Frau sah schon seltsam aus. Sie habe Zeichen gezeigt, hatte 2 JS gesagt. Im Ernst. Er hatte gesagt, sie sei mit Janaah Pacal verwandt, dem Ahau von Lakamha‘, das heute Palenque heißt. Und Pacal hatte elf Finger, oder? Vielleicht war die Vitiligo oder was immer diese Scheckigkeit verursachte, genetisch irgendwie mit der Polydaktylie gekoppelt. So weit hergeholt wäre das nicht. Auf jeden Fall war es besser, als eine Habsburger-Unterlippe zu haben. Oder Hannover-Hämophilie.
    Als sie einatmete, erhaschte ich einen Blick auf zwei Vorderzähne, in die anscheinend Smaragde eingearbeitet waren.
    Die Zwergin bald den eingefalteten Schirm an die Wand und, ich glaube es jedenfalls, versickerte in einem Kaninchenloch. Schakals Augen taten das Höfliche und blickten konzentriert vor mir auf den Matte.
    Koh fragte:
    »Wann berührtest du zuletzt deinen Vater? Und wann
    Sahest du zuletzt deine Mutter?
    Wer war der Raucher, der Asche über sie blies?
    Wann war ihre Dunkelheit?
    Warum gingst du fort und bliebst nicht
    Zu ihren Füßen an den Herdsteinen?«
    Ich hatte ein merkwürdiges Gefühl in der Kehle. Nein, eher in der Brust. Sie liest meine Gedanken, dachte ich. Verdammt! Und ich dachte, ich hätte mein Spielgesicht aufgesetzt. Ich hatte nicht aufgepasst, und jetzt war sie mir auf der Spur.
    Okay. Ganz langsam. Erst denken, dann noch mal nachdenken, dann erst sprechen. »Es gab, du über mir, sehr viele Gründe«, sagte ich.
    »Wo ist deine Mutter? Und wo ist dein Vater?
    Und wo ist euer Garten?«
    Hat sie mich das nicht schon gefragt, überlegte ich. In meinem Kopf summte es leise. Du schwächelst, Jedster, dachte ich. Reiß dich zusammen. Ich zerrte fester an meiner aufgerissenen Lippe. Auf meiner Zunge breitete sich schaler Blutgeschmack aus. Ich gab keine Antwort.
    »Wann sahest du zuletzt deine jüngeren Schwestern,
    Deine älteren Schwestern?
    Wann sahest du zuletzt deine jüngeren Brüder,
    Deine älteren Brüder?
    Wann wurde deine Milpa zuletzt abgebrannt? Ist sie frei?
    Ist sie besät und gejätet?
    Wer fegt dort deinen Kornspeicher? Ist sein Dach gedeckt?
    Ist er gesäubert für die Ernte?
    Wer hält Ausschau nach den Stärlingen? Wer bündelt
    Deine Tortillas?
    Wer singt eure Namen auf dem Platz, wenn die Enkel
    Das Feuer umtanzen?
    Kommst du nach Haus mit wundem Rücken,
    Wer reibt ihn dir ein mit Pfefferminzöl?
    Wenn du nachts nach Haus läufst, in der Kälte,
    Wer wartet hinter der Tür?«
    Darauf konnte ich nicht antworten.
    Als Schakal hatte ich nie geweint und konnte mich nicht einmal an einen Moment in Schakals Leben erinnern, an dem er geweint hätte, jedenfalls nicht mehr seit den ersten Initiationen zum Ballspiel. Soweit ich wusste, konnte er seine Augen nicht mehr zu Tränen zwingen. Er hatte es ihnen ausgebläut. Trotzdem war dieses Gefühl in ihnen, gleich würden sie weinen, wenn die Flüssigkeit um die Augäpfel sauer wird und sich erhitzt und der Druck sich aufbaut. Verdammt, dachte ich. Reiß dich zusammen. Reiß dich zusammen. Ich starrte die Geranienblüte an. Sie war länger als die anderen und stand auf einem gebogenen Schweif aufrecht wie ein Seepferdchen.
    »Du möchtest mir etwas sagen«, sprach Kohs Stimme. Oder hatte ich nur gedacht, dass sie es sagte? Reiß dich zusammen!
    Ich setzte mich gerade und riskierte einen Blick zu ihr hoch. Wenn ich ein Foto von ihrem Gesicht hätte aufnehmen könne, so hätte das Bild, jede Wette, völlig ausdruckslos gewirkt. Doch persönlich schien sie mich irgendwie mit einem Ausdruck der Nachsicht anzuschauen, mit Sympathie, fast mit einem Lächeln. Vielleicht stand das alles in ihren Augen. Vielleicht auch in der leichten Neigung des Kopfes. Vielleicht gab sie absichtlich ein bestimmtes Pheromon ab …
    »In dir ist noch etwas anderes«, sagte sie.
    Ich zog stärker an der Lippe. »Wie du über mir sagst«, bedeutete ich ihr. Ich sah hoch. Sie starrte mich unverhohlen an. Wie ich wohl schon gesagt habe, ist Blickkontakt in dieser Gegend eine große Sache. Es war wie in Ein Offizier und Gentleman, wo Louis Gossett Jr. etwas brüllt wie: »Glotzen Sie mich nicht an, Rekrut! Benutzen Sie

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