Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
2012 – Das Ende aller Zeiten

2012 – Das Ende aller Zeiten

Titel: 2012 – Das Ende aller Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian D’Amato
Vom Netzwerk:
Ihre Augenwinkel!« Ich senkte den Blick wieder.
    »Antworten sind auch Urenkel von Fragen«, sagte Koh. Ich glaube, damit meinte sie: Wenn ich ihr nichts sagte, wie könne ich dann von ihr erwarten, dass sie meine Sonnen zählte?
    »Ich unter dir bin im Reden nicht geübt, aber ich möchte sie gezählt sehen«, sagte ich. Das heißt, ich möchte nicht rumschwätzen, ich möchte verdammt noch mal jetzt mit dem Spiel anfangen.
    »Ich unter dir bin zu arm, um dein Bündel zu vergelten«, sagte sie. Im Prinzip bedeutete das: »Nimm deine gottverdammten Federn zurück und alles andere, was dir gehört, und mach, dass du aus meinem Laden kommst.« Sie blickte von mir weg und nach – von ihr aus gesehen – links, nach Westen, was die Vergangenheit bedeutete. Das hieß: »Dieses Gespräch gehört der Vergangenheit an. Wir sind fertig miteinander.«
    »Die Sonnen, die ich zählen möchte, sind sehr wenige«, sagte ich. »Und sie erleuchten auch dich.« Das hieß: »Du bist erledigt, Hexenschlampe. Deine Tage sind gezählt, und zwar in einstelligen Zahlen, und wenn du nicht weitermachst, dann könnten wir alle …«
    Ich hörte ein Geräusch wie in der zweiten Schulklasse, wenn jemand am Tisch hinter einem einen Bleistift zerbricht. Ich sah auf. Sie erwiderte meinen Blick, doch diesmal sah sie mich anders an.
    Tierabrichter sagen, dass der Unterschied zwischen Hunden und Wölfen darin besteht, dass die Hunde einen ansehen und die Wölfe durch einen hindurchblicken. Ein Hund sieht Ihnen in die Augen und fühlt sich ein. Sie sah mir nicht in die Augen. Sie sah durch mich hindurch.
    Sie will mir etwas, dachte ich. Ich muss hier raus. Automatisch verlagerte ich mein Gewicht, machte mich bereit aufzustehen. Doch statt sich einfach zu verlagern, wie es sollte, wabbelte mein Gewicht – mein Gleichgewichtssinn, könnte man sagen – schwerfällig nach vorn und wieder zurück wie ein aufblasbares Kinderschwimmbecken, das man mit grünem Schleim füllt. Meine Beine waren eingeschlafen und summten schmerzhaft. Verflucht, ich hab genug, dachte ich. Sie wird … Hölle, vielleicht sollte ich lieber vorstürzen, sie bei der Kehle packen und versuchen … nein. Wahrscheinlich beobachten uns Wächter. Reiß dich einfach zusammen und geh in würdevoller Eile. Ich entfaltete meine eingeschlafenen Beine so langsam, als versuchte ich, keinen Bewegungsalarm auszulösen. Ich verlagerte das Gewicht nach vorn und setzte die Hände an, um mich vom Boden hochzustemmen. Okay. Auf drei. Á la uno, á la …
    Koh schrie.
    Meine Augen fixierten ihr Gesicht. Es war zu einem klaffenden verängstigten Grinsen verzerrt. Die Lederhaut zeigte sich um ihre Iriden, und ihre smaragdenen Zahneinsätze glitzerten wie eine Reihe von Facettenaugen. Der Schrei wurde höher und wieder tiefer, die ganze Tonleiter hinauf und hinunter, wie ein auf den Trommelfellen kratzendes Fay-Wray-Kreischen unermesslichen Entsetzen und Schmerzes, ein Laut, wie man ihn von sich geben würde, wenn man spürt, wie sich die Reißzähne eines Jaguars einem in den Nacken bohren. Ich fuhr zurück, oder ich glaubte es zumindest, aber nichts bewegte sich. Ich begriff, dass ich in genau der gleichen Position dasaß. Ich war gelähmt.
    Polizisten lernen es, mit einer solchen Autorität »Stehen bleiben!« zu brüllen, dass Leute wirklich erstarren. Das Problem ist nur, dass sienicht immer lang genug in dieser Starre verbleiben. Hier war es anders. Etwas an der Kombination aus der Droge im Kakao und dem Schrei hatte bei mir eine Muskelunbeweglichkeit ausgelöst, eine Urreaktion, wie Beuteltiere sie erfahren, wenn sie ein Raubtier hören und keinen Fluchtweg sehen.
    »Hain chama«, sagte Koh. »Nimm das.«
    Sie beugte sich vor und streckte ihren hellen Arm nach mir aus. Zwischen Zeige- und Mittelfinger hielt sie einen einzelnen T‘zee-Baumsamen wie einen Go-Stein.
    Meine rechte Faust kam in mein Gesichtsfeld. Ich beobachtete sie, wie sie langsam unter ihre Hand glitt und sich mit dem Handteller nach oben öffnete. Das Samenkorn fiel hinein. Sie schloss sich wieder und kehrte zu ihrem Platz auf meinem Oberschenkel zurück. Ich sah auf. Irgendwo knackten laut zwei meiner Nackenwirbel.
    Ich kehrte in meine ursprüngliche Position zurück. Mir war schwindlig. Ich blickte nach unten und wieder zu ihr hoch. Ihr Gesicht hatte wieder seinen gelassenen Normalzustand angenommen. Eigenartigerweise war ich nicht ärgerlich. Ich fühlte mich nur ernüchtert.
    »Wenn du schläfst, kann man dir viel

Weitere Kostenlose Bücher