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2012 – Das Ende aller Zeiten

2012 – Das Ende aller Zeiten

Titel: 2012 – Das Ende aller Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian D’Amato
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Drei Hiebe benötigte er, um den Unterarm vom Oberarm zu trennen und die Strecksehne durchzuhauen. Dann reichte er seinem Bruder die Säge, der daraufhin versuchte, die Gefälligkeit zu erwidern, nur dass er dafür bereits zu schwach war. Es war wie ein Gruselslapstick, wie die Szene mit dem Schwarzen Ritter aus Die Ritter der Kokosnuss , nur dass diese Leute nach der Verstümmelung sichtlich Schmerzen hatten, auch wenn sie weiter lachten. Ich sah eine Horde Akolythen nacheinander von der Mauer auf die Stufen springen. Sie standen nicht wieder auf. Ein Junge rannte durch den Kreis der Musiker auf das Freudenfeuer zu. Ich dachte, er würde versuchen, darüber hinwegzuspringen. Unmöglich, dachte ich,das schafft er nie. Stattdessen nahm er Anlauf und machte einen Satz mitten ins Feuer, dass die Funken stoben. Seine Freunde jubelten. Es war, als spielten sie nur, ins Feuer zu springen.
    Das war nach den Begriffen des 21. Jahrhunderts sicherlich kein Volksaufstand. Niemand hatte vor, eine Volksrepublik zu errichten. Was das angeht, glaube ich nicht, dass irgendeine der unbedeutenderen Sippen jemals erwartete oder erhoffte, eines Tages die Macht zu übernehmen. Durch Kleidung und andere Kennzeichen war ziemlich einfach festzustellen, ob Leute miteinander verwandt waren, und im Augenblick sahen wir Brüder, Väter, Onkel und Kinder einander umbringen oder verstümmeln; sie ballten sich zu kleinen Gruppen zusammen und schlugen sich praktisch die Köpfe ein, oder sie packten die Großmutter und warfen sie in die Luft, oder einer biss dem anderen in den Hals. Und auch Leute, die einander sonst niemals angefasst hätten, mischten dabei mit. Die sozialen Unterschiede lösten sich auf. Frauen tanzten mit Männern aus rivalisierenden Sippen. Träger in Papierlendenschurzen ohrfeigten sich mit Puma-Speerwerfern in ihrem grellen Putz. Eine Reihe von zwanzig fast nackten Sklaven, die ihr Ankertau durchgesägt hatten, aber noch an der Taille miteinander verbunden waren, kamen wie ein Hundertfüßer zwischen uns und das Feuer geschlittert, hoben Essbares, das aus Opferbündeln gefallen war, vom Boden auf und stopften es sich in den Mund. Noch vor einer Stunde wäre das ein todeswürdiges Verbrechen gewesen. Nur eine wacklige Hierarchie hatte die Stadt zusammengehalten, und als ein paar Elemente der Gesellschaftspyramide herausgezogen wurden, brach alles zusammen.
    Nein, ein Aufstand war das nicht. Das war mehr wie ein Faschingsdienstag, der aus dem Ruder lief, wie eine Pest-Orgie, eine allmähliche Zersetzung bis zum Chaos, die ich mit dem letzten Schultag in Jubal High assoziierte, wo Papierkörbe aus dem Fenster flogen, Schreibtische umgeworfen und die Bücher zerrissen und die Treppe hinuntergeworfen wurden. Oder wenn nach einem Sportereignis eine Menschenmenge überschnappt und zu randalieren anfängt. Das rangierte natürlich auf einem viel geringeren Maßstab, aber die Stimmung war dieselbe, und sie war unabänderlich. Nichts fühlt sich befreiender anals die Erlaubnis zu zerstören, dem Hass auf das Leben nachzugeben und alles mit einer schwungvollen, Assurbanipal’schen Handbewegung hinwegzufegen. Solch eine Zügellosigkeit hätte zum Weltuntergang gepasst.
    La gran puta, dachte ich. Der Plan war gewesen, eine Ablenkung zu schaffen; die Leute sollten ein Riesendurcheinander veranstalten, damit wir ungesehen eindringen, das Zeug holen und verschwinden konnten. Wir hatten nicht gewollt, dass alles so außer Kontrolle geriet. Sie können doch nicht ihre eigenen Häuser niederbrennen wollen, dachte ich. Oder?
    Vielleicht passiert das in jeder Situation, wo der richtige Mix von Stressfaktoren vorhanden ist. Hier war die tödliche Kombination aus wirtschaftlicher Verzweiflung und religiöser Überzeugung am Werk, etwa wie, sagen wir, bei der PLO . Aber ich glaube, wie bei den Selbstmordattentätern war das Hauptmotiv ein Gefühl der Kränkung. Sie waren nicht einfach nur bereit zu tun, was Koh gesagt hatte, sondern sie waren so zornig auf die Katzen-Sippen, dass sie fast alles getan hätten. Für Anhänger des Sternenrasslers würde dieser eine dunkle Tag ihr baach wiederherstellen, ihre Härte, Kaltblütigkeit, Ehre, Männlichkeit, ihren Mut – wie immer man das übersetzen wollte. Heute bekamen sie Gelegenheit, sich für alte Kränkungen zu revanchieren.
    Wenigstens waren die Pumas uns noch nicht auf den Fersen. Die »Ablenkung« hatte funktioniert.
    Mir fiel auf, dass das Morgenpracht-Geblüt mit dem weißen Stirnband sich

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