2012 – Das Ende aller Zeiten
fühlte sich an, als hätte ich Currypulver geschnupft.
Ich setzte mich auf die blutigen Fliesen und nieste. Mir schwirrten zerplatzende rosa und weiße Lichtpunkte vor den Augen, gekoppelt mit dem synästhetischen Klang von scheußlichen Septakkorden. Was immer ich da eingeatmet hatte, war garantiert nicht von der Nahrungsmittel- und Medikamentenbehörde abgesegnet.
Sechs unserer Geblüte hatten vier Mischerinnen gefangen genommen und drückten sie auf einen Haufen zerbrochener Möbel in der Mitte des Raumes. Zwei sah ich Blut erbrechen, wahrscheinlich von dem Viehzeug, das sie gegessen hatten. Am anderen Ende des Raumes wurde noch gekämpft. Aber es schien lautlos vonstatten zu gehen, und sogar ein wenig in Zeitlupe. An der hinteren Wand gab es eine weitere kleine Tür, einen Notausgang. Ein paar Mischerinnen stahlen sich dort hinaus.
»Y okol paxebalob’ ah yan yan tepalob’ ah ten« , rief 12-Kaiman, was ungefähr hieß: »Versperrt diese Tür, sonst verspeise ich eure Hoden.« Ein Geblüt sprang dorthin, packte eine Mischerin, die schon halb hindurch war, und zerrte sie zurück in den Raum. Ein gelbrotes Licht leuchtete auf, und ich dachte einen Moment lang, es wäre Feuer ausgebrochen, bis ich begriff, dass nur ich allein es sah.
Verdammt, dachte ich verschwommen, ich bin voll drauf.
Ich saß zehn Herzschläge lang da, dann noch einmal zwanzig. Irgendetwas ließ mich glauben, wir wären wieder draußen in einem stillen Wald, und dann merkte ich, dass es an der nächtlichen Geräuschkulisse lag: Grillen und Heuschrecken und Zikaden und Zirpfrösche und Laubfrösche. Mann. Da steckten eine Menge Viecher in vielen verschiedenen Körben. Wenn wir nicht die richtigen fanden, was dann? Würden wir noch die Zeit haben, um eine der Mischerinnen zum Reden zu bringen? Und wenn das nicht klappte? Wie schon gesagt, die Leute hier waren hartnäckig bestrebt, mit dem Schiff unterzugehen …
»Hac’ahau-na-Koh a’an.«
Die Stimme gehörte Hun Xoc; er flüsterte mir ins Ohr. Durch den Tunnel war eine Nachricht hereingelangt: Frau Koh war hierher unterwegs.
Und bevor er es aussprach, meinte ich etwas zu riechen, diesen Geruch aus Kohs Innenhof, diesen Seetang, den ich nicht bestimmen konnte, der Duft des Sternenrassleratems. Er kam mir stärker vor als in ihren Räumen, strenger. Zorniger.
Zwei aus Kohs Eskorte, Angehörige ihres Ordens in der Kleidung des Kriegers und mit Keulen so lang wie ein Wanderstock, kamen geduckt herein, sahen sich um, stellten sich neben der Tür auf und gaben ein Zeichen.
Koh trat zwischen ihnen hindurch, langsam, mit strenger Würde, nach rechts und links blickend. Wie ist sie so schnell hierher gekommen, wunderte ich mich. Vielleicht kannte sie einen Schleichweg und hatte noch andere Verbündete, von denen ich nichts wusste. Na, das ist typisch. Sie war gekleidet wie ein Schwalbenschwanz-Krieger, mit einer langen wattierten Rüstung und einer Vollmaske, die aus dünnem leichtem Holz geschnitzt und mit winzigen Türkissplittern besetzt war. Von ihr selbst war nichts weiter zu sehen als ihre Hände, ihre Fußgelenke – ein helles, ein dunkles – und ein Funkeln ihrer suchenden Augen.
Ich kam wieder auf die Beine. Wir hatten noch immer die Tücher vorm Gesicht, aber sie erkannte uns trotzdem – das heißt, Hun Xoc, 12-Kaiman, 1-Gila und mich – an unseren Markierungen und grüßte uns. Wir grüßten zurück. Besondere Aufmerksamkeit widmete sie 1-Gila. Habe ich vergessen zu erwähnen, dass seine Familie ein unabhängiges Adelshaus Teotihuacáns war, das Koh gegenüber loyal war? Also, auch wenn ich es schon erklärt haben sollte, lassen wir das mal stehen. 1-Gila war der untersetzte Typ mit der gebrochenen Nase, den wir schon im Hof der Seidenweberinnen gesehen hatten, mit seinem Sohn, glaube ich, dessen Name … also gut, ich habe vergessen, wie sein Sohn hieß. Verdammt, man kommt hier aber auch leicht durcheinander. Wie auch immer, ich hatte gedacht, dass Koh ihn warten ließ, während wir unseren ersten Plausch führten, aber entweder war er deswegen nicht sauer, oder er war aus einem anderen Grund dort gewesen, oder es läuft hier einfach nicht so, denn er war innerhalb Teotihuacáns auf jeden Fall unser bester Verbündeter. Okay, zurück zum Geschehen.
Hinter Frau Koh traten zwei weitere, zwitterhafte Begleiter ein. Auch sie waren als Krieger gekleidet, aber einer war, meine ich, eine Frau, und anstelle einer Keule hielt sie Kohs Zwergin, die Pinguinfrau.
Frau Koh
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