2012 – Das Ende aller Zeiten
gezwungen, einen kleinen Baum mitsamt den Wurzeln auszureißen und einzupacken. Ich war auch nicht sicher, was in der Erde war, deshalb hatte ich darauf bestanden, zwei Säcke voll davon mitzunehmen. Außerdem hatten wir mit den Gefangenen fertig werden müssen, und die machten es uns nicht einfach. Als wir also wieder nach draußen marschierten, waren wir eine richtige Zigeunerkarawane, lauter Träger mit Körben und Bündeln und Krügen und dem eingewickelten Baum und was Koh sonst noch so als unabdingbar ansah. Außerdem war es uns gelungen, vier Puma-Mischerinnen zu fesseln und zwei Acht-Stein-Addierer, die die Drogenproduktion überwacht hatten. Alle anderen hatten Selbstmord begangen oder waren schon zu sehr hinüber, als dass man sich mitihnen noch zu befassen brauchte. Folglich waren wir mit sechs Gefangenen und zwanzig schwer beladenen Trägern nicht gerade die mobilste Truppe.
Hinzu kam, dass Kohs Gefolgsleute wohl keine große Hilfe waren – ich las es bei 12-Kaiman zwischen den Zeilen. Sie hatte ein Kontingent von mindestens hundert Bewachern und Gehilfen mitgebracht, was viel mehr war, als ich erwartet hatte. Kein Wunder, dass sie nicht gemeinsam mit uns gehen wollte, dachte ich. Ich hätte sonst versucht, ihre Entourage zu verkleinern. Sie hatte gesagt, sie werde fast ihr ganzes Gefolge zum Treffpunkt schicken. Vielleicht war sie ein größerer Fisch, als mir klar war, aber die meisten ihrer Leute waren keine ausgebildeten Kämpfer und standen uns mehr im Weg, als dass sie von Nutzen waren.
Als ich noch auf Forschungsschiffen arbeitete, verschickten wir lebendige Tiere durch die ganze Welt, gewöhnlich mit DHL . Ich habe Fische, Spinnen, Gastropoden, Schlangen und so viele andere Tierarten versandt und geliefert bekommen, dass ich mich gar nicht mehr an alle erinnern kann, und nur ganz wenige sind beim Transport verendet. Bei vielen solcher Tiere ist es so: Wenn man sie in etwas Weiches verpackt und im Dunkeln hält, werden sie, anstatt auszuflippen wie ein Säuger, ganz ruhig und warten einfach auf bessere Zeiten. Deswegen hatten wir uns Mühe gegeben, vier Bündel voll zusammenzupacken, einen pro Vier-Lichter-Kurier. Also würden sie es vielleicht schaffen.
Ihr Anführer hatte uns versichert, dass er in weniger als acht Tagen nach Ix gelangen würde. Es klang unmöglich, aber 12-Kaiman hatte gesagt, sie wüssten, was sie taten, und seien vollkommen zuverlässig. Sie stammten aus einer von den Harpyien abhängigen Bergsippe und waren deshalb loyal. Sie wurden durch Wettbewerbe ausgewählt und waren die Besten der Besten. Sie standen reisefertig bereit, die Einführungsbittschrift im Haar und das Suizidmesser am Unterarm. Sie umringten mich, und wir besprachen, wie die Tiere ruhig zu halten und die feuchten Tücher zweimal am Tag zu wechseln seien und wann man dies und jenes tun müsse. Grundlegende Tipps zur Haustierpflege. Wenn ein Tierchen verendete, sollten sie es sofort in einen Beutel Salzlegen. Selbst wenn die Tiere nicht überlebten, würde 2 JS sie zusammen mit meinen Notizen über das Spiel zwischen korrekt angeordneten Magnetsteinen bestatten. Das sollte Marena und dem Team genügen. Hoffte ich.
Die Kuriere müssten sich einen Weg durch viele schlecht gelaunte Pumas bahnen. Und sie müssten jeder Bürgerwehr in den Orten zwischen hier und Ix ein Schnippchen schlagen, denn diese dürften durch ihr Signalnetz erfahren, was während des Tages passiert war. Essen und Wasser würden sie stehlen müssen.
Doch neben der Schnelligkeit war Verstohlenheit ihr zweites Talent. Vielleicht schafften sie es. Und von den Tieren könnten einige überleben. War nicht unmöglich.
Ich sah ihnen in die Augen und versuchte wie ein Anführer zu sein und ihren Mut zu beurteilen, wie es ein 12-Kaiman tun würde. Sie schauten zurück, eifrig und Anerkennung heischend. Sie glaubten wirklich, ich sei etwas Besseres als sie, und waren glücklich, für mich sterben zu dürfen. Ich kam mir vor wie ein Arschloch.
Es geht nicht um dich, Jed, dachte ich. Es geht … na ja, um die Zukunft.
Die Zukunft, weißt du noch?
Wie hohl das klang.
Die Kuriere rannten durch die bevölkerte Gasse davon, nach Osten zur Straße, die flussaufwärts und in die Vorberge führte.
Hals- und Beinbruch, dachte ich.
Verdammt.
12-Kaiman gab Befehl zum Ausrücken. Wir liefen nach Westen auf die Hauptachse zu. Nach achtzig Schritten hatten wir die Gasse hinter uns und schwenkten in die Südostecke des Puma-Platzes ein. Plan A war, nach
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