2012 – Das Ende aller Zeiten
geht um vier Uhr vierunddreißig auf.«
»Quatsch.«
»Googeln Sie’s nach.«
»Schon gut«, sagte sie. Sie hatte ein breites Lächeln. »Das ist gottlos .« Offenbar war »gottlos« das neue »großartig«. »Wie viele Menschen auf der Welt können das?«
»Ich wüsste sonst niemanden. Es gibt andere, die solche Dinge auf anderen Gebieten können …«
»Hmm.« Sie kicherte. Ja, dachte ich. A Beautiful Mind und so weiter. Gib mir deinen Rubikwürfel und zehn Sekunden Zeit. Oder ich löse alle deinen ungelösten Sudokus. Ich mache dir sogar deine Steuererklärung in Hexadezimalzahlen, aber zeig mir den Codex …
»Ist es wahr, dass Sie zwölf Sprachen sprechen?«, fragte sie.
»Oh nein«, erwiderte ich. »In Wahrheit spreche ich nur drei. Es sei denn, Sie rechnen die unterschiedlichen Maya-Sprachen dazu. Davon kann ich die meisten.«
»Sie sprechen also Englisch, Spanisch und Maya.«
»Richtig. Ich verstehe noch ein paar andere Sprachen. Das heißt, ich kann sie lesen. Vielleicht könnte ich sie gut genug sprechen, um Tomaten einzukaufen.«
»Welche Sprachen sind das denn?«
»Ach, das Übliche. Deutsch, Französisch, Griechisch, Nahuatl, Mixtekisch, Otomi …«
»Interessant«, sagte sie. »Was denken Sie eigentlich darüber, dass die Welt enden soll? Glauben Sie, das passiert wirklich?«
»Nun ja«, sagte ich, »nach allem, was ich weiß, passiert es nicht. Wieso fragen Sie? Macht man sich hier deswegen Gedanken?«
»Der eine oder andere schon. Und dann hat, glaube ich, Taro gesagt, dass es nur für die Maya gilt … natürlich nicht, dass das unwichtig wäre.«
»Sicher, nein, keine Sorge«, sagte ich.
»Aber mal ernsthaft, was halten Sie davon?«
»Es ist ein wichtiges Datum«, sagte ich. »In alter Zeit hätten sie zumindest ein großes Fest gefeiert. Und sie hätten die ganzen weisen alten Schreiber oder was auch immer zusammengerufen und sich überlegt, was sie als Nächstes tun sollen. Vielleicht hätten sie sich einen neuen Kalender ausgedacht.«
»Also kein Riesenspektakel oder so was.«
»Ich glaube nicht.«
»Hm«, sagte sie. Es klang beinahe enttäuscht. »Also ist es wahr, dass die Maya die Zeit angebetet haben?«
»Das ist vielleicht ein bisschen übertrieben … man könnte eher sagen, dass keine andere Kultur jemals von der Zeit so besessen war.«
»Aber die Maya ließen sich doch diese unmöglich komplizierten Daten mit den Namen und komischen Zahlen einfallen.«
»Also, wenn man Kindern Maya-Zahlen beibringt, sagen sie, sie sind leichter als arabische. Sie sind wie Dominosteine. Es gibt da nur Punkte und Striche.«
»Vielleicht, aber als Taro versucht hat, mir den Kalender zu erklären, habe ich kein Land mehr gesehen. Und dabei bin ich ein Code-Monkey.«
»Das ist eine tolle Uhr«, sagte ich.
»Danke. Tja, sie hat einmal John Huston gehört, Sie wissen schon, dem Filmregisseur. Der Schatz der Sierra Madre.«
»Cool.«
»Das Neo-Teo-Team hat sie mir geschenkt. Aber, wie gesagt, ganz verstanden habe ich das System noch nicht. Aber es heißt, sie geht richtig.«
»Also, so schwierig ist das gar nicht«, sagte ich.
»Sie meinen, der Maya-Kalender ist nicht so schwierig?«
»Ja. Es gibt ein paar Stolpersteine, aber die Grundidee ist einfach. Denken Sie an einen Kilometerzähler in einem alten Auto, ehe alles elektrisch wurde.«
»Tatsächlich?«
»Ja. Jede Ziffer der Anzeige ist auf einer Walze, und wenn die letzte Walze komplett durchgelaufen ist, dreht sich die Walze links von ihr um sechsunddreißig Grad. Um ein Zehntel. Nur dass bei den Maya-Daten die meisten Walzen auf der Grundlage der Zahl zwanzig funktionieren, mit einer Ausnahme, bei der es achtzehn ist. Dazu kommt eine Walze mit dreizehn Positionen, das ist der Ritualkalender, und den, der die Namen hat. Deshalb taucht alle dreizehn mal zwanzig Tage die gleiche Name-Zahl-Kombination auf, sagen wir, Null Fledermaus, das ist heute. In zweihundertsechzig Tagen ist dann wieder Null Fledermaus. So ist es ein großer Tag, wenn viele dieser Zyklen gleichzeitig auf null zusammenkommen, wie – «
»Wie wenn der Kilometerzähler die Hunderttausend-Kilometer-Grenze überschreitet und die Kinder auf dem Rücksitz ganz aufgeregt sind und sich nach vorn beugen, um zuzuschauen.«
»Richtig«, sagte ich. »Nur dass es jedes Mal in einem anderen tun geschieht, einer Einheit aus dreihundertsechzig Tagen. Ein K’atun besteht aus zwanzig Tuns, und zwanzig K’atuns bilden ein B’ak’tun. Und achtzehn davon
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