2012 – Das Ende aller Zeiten
-Katastrophenschutzamtes, für Orlando hatte sich als nicht erfolgreich erwiesen, und sämtlicher Verkehr im zentralen Bundesstaat kam nur noch im Stop-und-Go-Tempo voran. Die Flugplätze von Kissimmee, Lakeland, Lake Wales und Vero Beach waren außer Betrieb, die Krankenhäuser bis Tampa / St. Pete, Gainesville undFort Lauderdale hatten per Hubschrauber so viele Patienten eingeliefert bekommen, dass sie vollkommen überlastet waren. Staatliche Rettungskräfte weigerten sich, die »Leuchtkäfer« zu berühren, wie sie Leute nannten, die vielleicht kontaminiert waren. Ich glaube, das Wort war ähnlich wie der japanische Name für Menschen, die in Hiroshima und Nagasaki mit Strahlung verseucht worden waren. Es klingt ähnlich wie »Hibachi«, aber ich komme gerade nicht darauf. Polizei war Mangelware, entweder, weil die Beamten an den Krankenhäusern zu tun hatten oder weil sie gar nicht erst zum Dienst erschienen. Flashmobs ergingen sich in »organisierten Plünderungen«, bei denen nicht nur Schaufenster eingeschlagen wurden, sondern das gesamte Lager von Elektronikmärkten auf Lastwagen verladen und ganze Flotten von Pkws von den Parkplätzen der Händler weggefahren wurden.
Auf Fat Deer Key wurde der Verkehr wieder dichter. Doch anders als fast alle anderen im ganzen Bundesstaat waren wir in Bewegung; wenn man einmal auf der Dammstraße ist, gibt es aus keiner Richtung mehr Zufahrten. Auf Marenas Verkehrssite sah es aus, als bewegte sich schon wenige Kilometer hinter uns niemand mehr. Sie hatte wirklich das Richtige getan, indem sie sich beim ersten Anzeichen von Schwierigkeiten davonmachte. Wenn Paranoia sich einmal auszahlt, dann richtig. Max sah aus seinem Fenster heraus nach oben, und ich machte es nach. Der Himmel war voller Flugzeuge. Ein Wirrwarr aus Militärmaschinen zeichnete einen gordischen Knoten aus Kondensstreifen; wie bei Haien im Fressrausch sah man alle Formen und Größen: Eurofighter 2000 wie Hammerhaie, AV -8 Harriers wie Blauhaie, Globemasters wie Große Weiße, F/A -18 wie Bullenhaie und sogar, glaube ich, eine B -2 wie ein Mantarochen – die ganze höllische Bande. Ich versuchte meine Alarmanlage zu Hause zu erreichen. Sie nahm nicht ab. Ich schickte No Way wieder eine Textnachricht. Gleiche Geschichte.
»Mom? Ich hab richtig Hunger«, sagte Max.
»Hast du die Waffeln schon gegessen?«, fragte sie. Ja, antwortete er. Sie sagte, er müsse noch eine halbe Stunde warten, weil wir auf einem streng geheimen Kommandounternehmen seien und unsere Vorräte strecken müssten. Ich versuchte mich zurückzusetzen undzu entspannen. Jed, du alter Bastard, die Fahrerin nicht mit deiner Nervosität anzustecken ist im Moment das Beste, was du tun kannst. Wir waren nun über Islamorada, wo man die richtigen Keys erreicht. Von hier kann man die Küste der Halbinsel Florida nicht mehr sehen, nur die Dammstraße, die die grünen Korallenpunkte der Inselchen verbindet, und rechts die rostige alte Eisenbahnbrücke. Auf CNN sah es aus, als hätten wir Miami gerade noch rechtzeitig hinter uns gelassen. In Pompano Beach gab es einen Aufstand, und in Hialeah war eine panische Menge gegen eine Linie von Soldaten gestürmt, die mit dieser neuen Glibberwaffe, die Schleim verschießt, auf sie feuerte. Eh bueno, dachte ich, wenigstens bekommen wir noch neue Meldungen online. Muss ja schließlich nicht sein, dass wir auch nur eine Minute des Weltuntergangs verpassen. Im Zeitalter des Reality TV ist alles gut. Wir passierten den Stützpunkt der Küstenwache am Südende von Plantation Key. Eigenartigerweise war sie verlassen; wir sahen an den Aufschleppen keine Boote und auf dem Parkplatz kein einziges Auto. Flugzeugketten zogen über uns nach Nordwesten.
»Na ja, trotzdem, ich glaube, das war’s«, sagte Marena.
»Wie bitte?«
»Das mit dem Räudewirken. Ja? Diese Leute, ich meine, die Opfer, sie haben starke Hautverletzungen.«
»Ja, das glaube ich auch.«
»Ich wette, das glauben Sie schon länger.«
»Ja.«
Ein langes, düsteres, graues, freudloses Schweigen folgte. Schließlich blickte sie mich an.
»Hören Sie«, sagte sie, »Wissen Sie vielleicht irgende…«
(11)
Zuerst glaubte ich, die Sonne wäre herausgekommen, weil die Reihe reflektierender Markierungsknöpfe auf dem Mittelstreifen in einer eigenartigen Fuchsienfarbe erstrahlte und das Pflaster in einem fröhlichen Gelb leuchtete. Aber die Sonne war schon vor einiger Zeit untergegangen. Im nächsten Moment spürten wir eine Art trägen, wuchtigen
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