2012 - Die Prophezeiung - Alten, S: 2012 - Die Prophezeiung - Phobos
feuchten, glitschigen Steinblöcken gebildet wird. Eine nicht weniger klaustrophobisch schmale Treppe führt hinauf in eine kleine Kammer, die von einem steinernen Chac Mo’ol , einer mit Edelsteinen besetzten Jaguarstatue, bewacht wird.
Einsam sitzt Michael Gabriel vor dem Idol unter den einhunderttausend Tonnen schweren Felsquadern. Der sechsunddreißig Jahre alte Sohn des verstorbenen Julius Gabriel und dessen ebenfalls verstorbener Ehefrau Maria Rosen führt ein Leben voller Einsamkeit, Wut und Angst. Er ist ein Mensch, dessen Mission ihn von seiner Umwelt abschneidet, ein Himmelskörper, der die Erde im leeren Raum umkreist; seine einzigen menschlichen Kontakte bilden die Bekanntschaften, die er auf seinen jährlichen Wanderungen zwischen Nazca und Chichén Itzá macht.
Seine einst häufigen Flüge nach Cambridge, Massachusetts, wo er sich bemühte, gegen das Urteil und die Haft seines in diesem Zeitstrang noch ungeborenen Sohnes Samuel Agler vorzugehen, hat er inzwischen aufgegeben, weil alle seine Bemühungen abgeschmettert worden waren. Der einzige Lichtblick war die Information, dass die veraltete psychiatrische Klinik geschlossen werden würde und alle Patienten auf andere Einrichtungen im ganzen Land verteilt werden sollten.
Samuel Agler war bereits in das South Florida Evaluation and Treatment Center in Miami, Florida, überführt worden.
Michael Gabriel hat die Absicht, ihn da rauszuholen – egal wie. Doch die Uhr tickt.
Mit dem Eintreffen der Frühjahrs-Tagundnachtgleiche des Jahres 2012 dauert es nur noch neun Monate bis zum prophezeiten Weltuntergang. Trotz umfangreicher Feldforschung ist Michael Gabriel der Lösung des Rätsels der Maya noch nicht näher gekommen als seine Eltern. Es war, als hätte das geheimnisvolle Auftauchen seines Sohnes die Karten von vierzig Jahren Forschung neu gemischt. Verschärft wurde das Problem noch durch die Weigerung der Regierung, zum Verschwinden seiner Tante Laura und seiner Nichte Sophia Stellung zu nehmen, und je drängender seine Fragen wurden, umso größer wurde die Gefahr, dass er selbst einfach verschwand.
Offensichtlich wurde er von Majestic-12 bedroht, und das bedeutete, dass Laura und Sophia irgendwo in der Gegend von Area 51 gefangen gehalten wurden. Vorausgesetzt, dass sie noch am Leben waren.
Der gedämpfte Jubel der Menge lässt ihn zur Jaguarstatue aufblicken. Chilam Balam hatte alle Puzzleteile gekannt, die man brauchte, um das Rätsel des Weltuntergangs zu verstehen. Samuel Agler war überzeugt, dass er eine Inkarnation des Jaguar-Propheten war. Mick hofft, dass das Bewusstsein seines Sohnes nach elf Jahren Einzelhaft noch einige Inseln der Klarheit besitzt, auf die man zählen kann.
Er wirft einen Blick auf die Uhr. Das Charterflugzeug aus Mérida ist vor zwanzig Minuten gelandet, und seine Passagierin ist aus Tampa, Florida, der Heimat ihrer Adoptiveltern, eingetroffen.
Mick geht die rutschigen Treppenstufen aus Kalkstein hinab und tritt aus der versiegelten Tür hinaus ins Tageslicht.
Die sache verläuft nördlich der beiden Schlangenköpfe am Fuß der Kukulkan-Pyramide gut anderthalb Kilometer weit durch den dichten Dschungel, bevor sie an der heiligen Cenote endet. Entlang der alten aufgeschütteten Straße sitzen Männer und Frauen und versuchen, die verschiedensten Waren zu verkaufen. Ihre als authentisch angepriesenen Keramiken und Decken, Statuen und Obsidiandolche werden alle von demselben mexikanischen Hersteller geliefert.
Die stämmige Maya-Frau ist Mitte sechzig. Hohe Wangenknochen akzentuieren ihre türkisblauen Augen. Sie sitzt auf einem leinenbespannten Klappstuhl, raucht eine selbst gedrehte Zigarette und schüttelt den Kopf, als ein amerikanisches Paar mit ihr über die Statuette eines Maya-Kriegers, der einen Pfeil in die Luft schießt, zu verhandeln versucht.
Mick wartet, bis die beiden Touristen gegangen sind, bevor er sich der alten Frau nähert. Er wirft ihr ein dickes Bündel Zwanzigdollarnoten in den Schoß.
Chicahua Aurelia sieht zu dem großen, dunkelhaarigen Amerikaner auf, dessen Augen hinter einer Sonnenbrille verborgen sind. »Was wollen Sie kaufen?«
»Ein Gespräch. Mit Ihrer Nichte.«
»Mit meiner Nichte?«
»Dominique Vazquez. Sie ist mit dem Flugzeug aus Mérida gekommen. Ich muss mit ihr über etwas Wichtiges reden.«
»Meine Nichte kann für sich selbst sprechen. Sie braucht keine alte Frau, die ihre Gespräche verkauft.«
»Sie weigert sich, mit mir zu reden. Glauben Sie mir, ich
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