2012 - Die Prophezeiung - Alten, S: 2012 - Die Prophezeiung - Phobos
befinde mich hier im ATLAS-Kontrollraum, fünfzehn Minuten nach der ersten Hochenergiekollision im Large Hadron Collider. Die Physiker haben mehr als ein Jahr auf diesen Augenblick gewartet und springen noch immer auf und ab vor Begeisterung. Für alle war es ein langer Tag. Die Journalisten kamen vor sechs Uhr morgens hier an, doch viele Wissenschaftler waren bereits die ganze Nacht an Ort und Stelle. Überall freudestrahlendes Grinsen. Zwei kleinere Funktionsstörungen früher am Morgen hatten zur Folge, dass die Energie zweimal herunter – und dann wieder hochgefahren werden musste. Aber beim dritten Versuch ging alles glatt, und sämtliche Beteiligten waren aufgeregt und erleichtert. Bei allen vier Experimenten, die am LHC laufen – CMS, ALICE, ATLAS und LHCb –, konnten Kollisionen registriert werden. Hier im ATLAS-Kontrollraum kann ich die Bilder der Kollisionen sehen, die auf wandhohe Bildschirme projiziert werden. Gerade kam es wieder zu stürmischem Applaus, als sich die Mitteilung verbreitete, dass zwei Teilchenstrahlen noch immer problemlos zirkulieren. Dies bedeutet, dass die inneren Detektoren, die die
interessantesten Informationen über die Kollisionen auffangen, jetzt eingeschaltet werden können.
Glückwunsch an alle am LHC!«
HANNAH DEVLIN, Wissenschaftsreporterin für The Times . 30. März 2010
Vastitas-Borealis-Becken/Marskolonie
Mars
M it der einen Hand, die im Handschuh seines Raumanzugs steckt, packt James Corbett die Sicherheitsstange des Aufzugs, während er mit der anderen den kurzen Sensorstab kreisen lässt, der mit einer Schlaufe an seinem Handgelenk befestigt ist. Das Gerät übermittelt seine Informationen an ein Relais, das in das Gehirn des Ingenieurs implantiert wurde.
Seit einem Tauchunfall im Alter von dreißig Jahren ist James Corbett blind, doch dadurch ließ er sich nicht daran hindern, sein Leben zu genießen. Er fing mit Bergsteigen an – dabei nahm er sich unter anderem den Kilimandscharo vor –, und innerhalb von nur drei Jahren leitete er wieder Tauchgänge, die über hundert Meter in die Tiefe führten. Dass er gelernt hatte, sich in der neuen Welt der Dunkelheit zu bewegen, rettete Corbett sogar das Leben, als er und ein Tauchkumpel beschlossen, ein kieloben auf dem Grund des Lake Ontario liegendes Frachtschiff zu erkunden. Verloren in einer Welt aus Schlick, in der ihnen viel zu schnell die Luft ausging, tastete sich Corbett ruhig durch die Schiffskorridore und rettete ihnen beiden das Leben.
Das Sinken verläuft unruhig, die Tür des offenen Aufzugskorbs klappert. Der Chefingenieur der Marskolonie, der keine Klaustrophobie kennt, hat es selbst übernommen, den gerade fertiggestellten Minenschacht genauer zu erkunden. Mehr als zweihundert Meter unter der felsigen Marsoberfläche befindet sich eine geheimnisvolle Masse, die geschätzte 130 000 Tonnen wiegt. Die Entdeckung einer Erzader, aus deren Material man Stahlplatten für die Bio-Kuppeln der Kolonie herstellen kann, ist ein Zufallsfund; die Ader in einem Becken zu finden, das als Boden eines 200 Millionen Jahre alten Meeres gilt, hat sein Geologenteam völlig verblüfft. Mit einem Laserschneider will Corbett der Masse einige Proben entnehmen, die im Labor untersucht werden sollen. Bevor weitere Erkundungsschächte gegraben werden, wird sein Team die Art des Metalls bestimmen und ermitteln, ob eine Ausbeutung der Ader den Aufwand an Treibstoffkosten und Arbeitsstunden lohnt.
Der hydraulische Lift wird langsamer und bleibt schließlich mit einem metallischen Klacken stehen. Statisches Rauschen erfüllt Corbetts Helm, und dann meldet eine leise Stimme: »Ende des Transportkabels erreicht, Sir.«
»Ein einfaches ›Sie sind angekommen‹ hätte genügt, Mr. Jefferies. In welcher Richtung liegt der Zielabschnitt? «
»Verlassen Sie den Aufzug und gehen Sie drei Meter nach Westen. Sie stehen praktisch drauf.«
Corbett steigt aus dem Lift, während sein Sensorstab Richtung und Entfernung ermittelt. Die deutlich ausgeprägten Vibrationen seines Geräts führen ihn zu dem
im Fels eingeschlossenen Objekt. Er hebt seine behandschuhte Rechte und tastet die Wand des Schachts ab. Deutlich kann er das raue Silikat von der glatten Metalloberfläche, den geschwungenen Konturen und den plan verlaufenden Rändern unterscheiden, die mehrere Zoll dick sind und zu einer Schärfe abgeschliffen wurden, die man in der Natur nirgendwo finden kann.
Der Ingenieur setzt seinen Laserschneider an das geheimnisvolle
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