2012- Die Rückkehr
Heimatstadion der Hurricanes, Miamis Footballmannschaft und amtierender PCAA-Meister, ist mit 132 233 Zuschauern bis auf den letzten Platz gefüllt und brummt geradezu vor Energie.
Auf den westlichen Zuschauerrängen sitzen die Mitglieder der verschiedenen Studentenverbindungen Miamis; sie sind an ihren nackten orange-, lavendel- und türkisfarbenen Oberkörpern gut voneinander zu unterscheiden. Eine Gruppe Cheerleader lässt die Studenten der Florida State jubeln, die heute die Gastmannschaft begleitet haben; ihre Haut ist »seminolenrot« gefärbt. Unterdessen
posieren barbusige junge Frauen aus beiden Universitäten für die Schwebekameras und stellen ihre »kalypsogebräunten« und vergrößerten Brüste zur Schau.
Nachdem sechs Minuten gespielt sind, hinken die Gastgeber der Florida State University, dem Erzrivalen aus dem eigenen Bundesstaat, mit drei zu null hinterher, und die Miami-Fans sind mehr als nur ungeduldig. Von den gepolsterten Teflonsitzen erklingen die Sprechchöre »Mule, Mule, Mule« und lassen die Luft vibrieren, als der Angreifer der Hurricanes zum ersten Mal auf das Feld sprintet und an der eigenen Sechzehn-Yard-Linie Position bezieht.
Die Spieler stecken nicht mehr im Team die Köpfe zusammen. Alle Anweisungen werden von den für die einzelnen Spielfeldabschnitte zuständigen Trainern direkt in die Helme der Spieler übertragen, die mit einem verschlüsselten Mikrolautsprecher ausgestattet sind.
Die Hurricanes, die als Mannschaftsfarben Orange und Weiß tragen, positionieren sich auf dem künstlichen Rasen, der so konstruiert wurde, dass er bei Druck bis zu einem gewissen Grad nachgibt. Es gibt keine Menschen als Schiedsrichter. Ein Dutzend Kameras, die mit den neuesten Bildauswertungssystemen verbunden sind, befinden sich an den Seitenlinien. Sie überwachen das Spielfeld und halten nach Regelverstößen Ausschau. Es gibt keine Markierungen für das First Down, die ersten vier Angriffsversuche. Vielmehr befindet sich unter dem smaragdgrünen Kunstrasen ein elektronisches Gitterwerk, das per Funk mit Sensoren verbunden ist, die in den Football selbst eingearbeitet sind. Fluoreszierende gelbe Laser-Linien markieren die präzise Position des Balls, während auf Bildschirmen entlang den Seiten sowohl die Angriffsversuche wie auch die Entfernungen in Yards angezeigt werden, die für das Erringen eines neuen First
Downs nötig sind. Eine elektromagnetische Schicht, die sich von der Torlinie aus senkrecht in die Höhe erhebt, muss durchbrochen werden, um einen Touchdown zu erzielen - was sofort einen Regenbogen aus Laserlichtern und eine Reihe holografischer Spezialeffekte auslöst, die individuell auf das Team zugeschnitten sind, das die Punkte gemacht hat.
Die Torpfosten selbst sind violette Hologramme, die sich bei den durch Kicks erzielten Field Goals oder Versuchen, Zusatzpunkte zu machen, von selbst aktivieren. Trifft der Ball einen dieser holografischen Pfosten, wirbelt er unkontrollierbar durch die Luft, was die ganze Sache zu einem Lotteriespiel macht.
Samuel »the Mule« Agler, Miamis zwanzig Jahre alter Star-Tailback im zweiten Studienjahr, hat am Ende der Angriffsformation hinter seinem Quarterback und besten Freund K. C. Renner Aufstellung genommen, als der Robo-Ref, ein sechzig Zentimeter hohes Gerät, das einem Mülleimer gleicht, den Ball in Position setzt.
Einer der Trainer Miamis, der Angriffskoordinator des Teams Mike Lavoie, wählt einen Spielzug aus seinem Port-a-Coach. Sam hört der nervenden Computerstimme zu, die in sein linkes Ohr zwitschert.
Sechsunddreißig, Halfback, Wurf rechts … auf zwei.
Sam blendet das donnernde Toben der Menge völlig aus und verlangsamt seinen Puls. Er sinkt in eine tiefe Konzentration und lässt sein Bewusstsein in einen Zustand gleiten, den sein Sportpsychiater »die Zone« nennt - einen Bereich reiner Existenz irgendwo tief in seinem Gehirn, der beruhigend auf ihn wirkt.
Der Center Lineman Jerry Tucker kauert sich über das Schweinsleder, und die wuchtigen Hinterbacken des 341 Pfund schweren Spielers dehnen die verstärkten Polyurethan- und Stahlfasern seiner Hose bis zum Äußersten. Als
er den Ball berührt, wird die Übertragung elektronischer Anweisungen von den Trainern auf die Spieler im Feld automatisch unterbrochen.
Die Uhr tickt von fünfzehn rückwärts.
Jetzt taucht Sam vollständig in die Zone ein. Er schneidet eine Grimasse, als die ihm nur allzu vertrauten Wellen der Übelkeit sich zu gewaltigen Wogen intensiven
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