2012- Die Rückkehr
Gefährtin schon seit Stunden durchqueren; ihre zinngraue Oberfläche ist von tiefen Rissen durchzogen und von holzkohlengrauen Felsen übersät. Braungrau sind die Wolken, die in der Ferne von Begräbnisfeuern aufsteigen wie giftige Rauchschwaden über brennendem Benzin. Schlammgrau ist der Berg vor ihnen, dessen unfruchtbare tonfarbene Hänge die weichen, geschwungenen Formen erkalteter Lava besitzen. Bleigrau sind die Rücken der dreißig Zentimeter langen Käfer, die ständig zwischen ihren Stiefeln hin und her kriechen wie ruheloses Ungeziefer.
Rot ist die Farbe der Hitze. Sie ist der dünne Streifen rosenfarbenen Horizonts, der zwischen dem Berggipfel und dem Dach der unterirdischen Welt zu erkennen ist. Sie ist die orangefarbene Aschenglut, die wie ein Sternenhimmel von der wolkenverhangenen Decke herabschimmert.
Rot ist nicht die Farbe des Blutes. Das Blut fließt blau in dieser gottverlassenen Kohlendioxidwelt und wirkt im rosafarbenen ewigen Zwielicht dieses Ortes violett.
Violett ist diejenige Rotschattierung, die Dominique sieht, wenn sie die Augen schließt. Violett ist der stumpfe, quälende, wahnsinnig machende Schmerz, der gegen die Rückwand ihrer Augäpfel drückt. Violett sind ihre Füße in ihren Stiefeln. Ihr Kreuz, das noch immer wegen des verlängerten Menstruationszyklus schmerzt. Ihre überlasteten Nerven, die wegen des ständigen Rauschens zusammenzucken - dem Rauschen wiederaufbereiteten Wassers, das von ihren Beinmuskeln nach oben gepumpt wird, während sie sich in ihrem engen Schutzanzug bewegt.
Doch schlimmer als der Schmerz und schlimmer als die Farben der Unterwelt ist das Entsetzen, das an ihrem Gehirn nagt, ist die bedrückende Sorge zu wissen, dass ihr Seelengefährte so nahe, ihr Sohn jedoch in großer Gefahr ist.
Sie erreichen den Fuß des Berges. Dominique starrt zu dem rauen, in einem Winkel von vierzig Grad ansteigenden Hang und den zahlreichen Felsabbrüchen hinauf; sie sieht nichts als Violett.
Die stumme transhumane Frau deutet nach oben.
»Wahrscheinlich ist es gar nicht so schlimm«, lügt Dominique, die sich bemüht, den Gipfel zu erkennen. »Sieht fast so aus wie ein erloschener Vulkan.«
Dutzende Käfer krabbeln über die Oberseite ihrer Stiefel. »Verschwindet!« Sie tritt nach ihnen und verliert dabei fast ihren Halt.
Die transhumane Frau beginnt, den Hang hinaufzugehen.
Dominique folgt ihr, wobei sie sich mit dem Schwert abstützt. Jake ist stark. Sicher geht es ihm gut. Wenn sie gewollt
hätten, dass er stirbt, hätten sie ihn gleich am Ufer umgebracht.
Ihre Gedanken wenden sich ihrem anderen Sohn zu.
Wenigstens ist Manny in Sicherheit …
Und dann bleibt sie plötzlich stehen, und ihre Augen füllen sich mit Tränen, als sie schließlich die Realität ihrer Situation begreift. Manny ist nicht in Sicherheit, Manny ist tot! Er starb schon vor vielen Millionen Jahren in diesem verrotteten Höllenloch, genauso wie der Rest unserer von Gott verlassenen Spezies.
Sie lehnt sich gegen einen Felsblock und schluchzt hemmungslos; das Atmen mithilfe des Regulators fällt ihr auf einmal sehr schwer.
Ihre transhumane Gefährtin bleibt ebenfalls stehen. Dann klettert sie zurück, nimmt Dominiques Hand und drückt sie.
Hab … Vertrauen.
Die telepathisch übermittelte Botschaft ist nur ein schwaches Flüstern in Dominiques Gehirn, doch es spricht Bände.
Ja, sie ist verzweifelt und völlig abgeschnitten von ihrer eigenen Welt, aber sie ist nicht allein. Da ist noch ihr anderer Sohn, und vielleicht ist da auch noch Mick.
Und jetzt - eine Freundin.
Wenn du schon sterben musst, dann stirb im Kampf. Nimm diese Schlampe Lilith mit in den Tod!
Dominique richtet sich auf.
Die beiden Frauen umarmen sich und setzen ihren Aufstieg fort.
Stunden vergehen. Die transhumane Frau erreicht ein Plateau und hört auf zu klettern. Dominique tritt neben sie, und die beiden Humanoiden betrachten die Herausforderung, die vor ihnen liegt.
Eine große Felsspalte, die mindestens dreihundert Meter weit senkrecht in die Tiefe führt und deren Grund irgendwo in der Dunkelheit verschwindet, trennt das Plateau vom Gipfel des Berges. Selbst an seiner schmalsten Stelle ist der Spalt gut sechs Meter breit.
Der Berghang auf ihrer Seite des Spalts führt in einem weiten Bogen nach links, doch er bildet hier eine senkrechte Felswand, die ohne die entsprechende Ausrüstung nicht zu überwinden ist.
»Ich kann nicht hinauf, ich kann nicht hinüber. Verdammt, was sollen wir nur
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