2012- Die Rückkehr
jedem schmerzhaften Schritt.
Hoch über ihr glüht die pyroklastische Decke wie Lava.
Komm schon, hör auf, darüber nachzudenken, und klettere.
Sie holt tief Luft und schleppt sich den Hang hinauf, wobei sie sich die letzten fünfzehn Meter auf dem Bauch liegend nach oben schiebt, bis es ihr schließlich gelingt, einen Blick über die Felskante zu werfen.
Dominique sieht nach unten.
Sie kauert sich am oberen Rand eines Vulkans zusammen, dessen Krater mehrere Dutzend Meter unter ihr ein Tal bildet.
Wie ein verstecktes tibetisches Kloster liegt ein Dorf in diesem Talkessel.
Das Dorf der Nephilim .
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D as Dorf ist eine architektonische Pestbeule, ein Chaos aus krummen Wegen und einstöckigen, schlecht konstruierten Gebäuden, die von festgebackenem Staub überzogen sind. Es ist ein grauer Irrgarten, schlimmer als die übelsten, aus Pappe und Wellblech errichteten Slums von Olongapo und Subic nach dem Vulkanausbruch auf den Philippinen.
Rußbedeckte Gebäude an rußbedeckten Straßen ziehen sich bis zum entgegengesetzten Ende der Ansiedlung ans Ufer eines gewaltigen Sees, über dem dichter Nebel liegt.
Dominique hält den Atem an, als sich die mächtigen Wolken an der unterirdischen Decke teilen und ein monströses Objekt enthüllen, das am diesseitigen Ufer des Sees errichtet wurde. Es ist aus einem riesigen Felsblock gemeißelt, unvorstellbar alt und so hoch wie ein zehnstöckiges Gebäude. Die obere Hälfte scheint poliert zu sein, doch die Einzelheiten verschwinden sogleich wieder im heraufziehenden Dunst.
Irgendwo in der Ferne schlägt eine Glocke, deren tiefe Töne durch das Tal hallen.
Als riefe sie jemand zusammen, strömt eine Menge aus grauen Gestalten langsam aus den Hütten hinunter zum Ufer des Sees. Mit zitternder Hand zieht Dominique ihr Smart-Fernglas aus ihrer Gürteltasche. Sie schaltet die Nachtsichtfunktion ein und zoomt sich an die Dorfbewohner heran, die allesamt mit demselben grauen Staub bedeckt sind.
Etwas geht da vor. Ich muss irgendwie hinunterkommen.
Eine sumpfige Jauchegrube bildet den Dorfrand. Das stehende, silbern-braune Wasser ist voller Fäkalien, Müll, Knochen und den schwelenden Resten von aschebedecktem menschlichem Fleisch. Zu Zehntausenden mästen sich Skarabäen an diesem Festmahl, ihre scharfen Mundwerkzeuge erzeugen beim Fressen ein entnervendes Knirschen.
Heftig an ihrem Regulator saugend, eilt Dominique durch den knietiefen Schleim, bis sie etwas festeren Boden unter den Füßen hat. Jetzt ist die staubige Erde von Pilzen bedeckt, die sich von der braungrauen Flüssigkeit des Sumpfs ernähren; bei jedem Schritt steigt das Wasser aus dem porösen Untergrund auf.
Sie erreicht die erste Gruppe der fensterlosen Hütten, die anscheinend aus Lehm errichtet wurden. Die Reihen der seltsam geformten Unterkünfte hängen schief in diesem instabilen Morast, und ihre Fundamente sinken immer tiefer in das träge Abwasser.
Dominique würgt in ihr Mundstück und stellt ihren Nasenschlauch neu ein, denn der Gestank um sie herum ist trotz ihres Atemgeräts fast unerträglich.
Als sie sich wieder im Griff hat, geht sie bis ans Ende der Hüttenreihe und wirft einen Blick um eine von Rissen durchzogene Mauer.
Als sie ein flatterndes Geräusch hört, sieht sie nach oben. Auf den Hüttendächern jenseits der Straße kauern
vier eulenartige Kreaturen, von denen jede so groß ist wie ein zwölfjähriges Kind. Ihre runden, federlosen Köpfe sind von grauem, festgebackenem Staub bedeckt; der graue Star hat ihre pupillenlosen Augen erblinden lassen. Die zusammengefalteten, flugunfähigen Schwingen sind von Schuppen anstelle von Federn bedeckt und enden in scharfen Krallen.
Die mutierten Kreaturen scheinen sie anzustarren, während sie mühsam durch ihre deformierten, schnabelartigen Münder Luft holen.
Wie muss das Böse wohl aussehen, das solche Genmutationen schafft?
Dominique zieht sich in den Schatten zurück, um nachzudenken. Ihr ehemals schwarzer Schutzanzug ist längst von grauem Staub bedeckt. Sie packt eine Handvoll Erde, reibt sich Gesicht und Haare noch weiter mit der rußigen Substanz ein und tarnt sich so gut sie kann.
Als sie damit fertig ist, geht sie die schmutzige Nebenstraße hinab auf der Suche nach einer größeren Hauptstraße, und sie betet darum, dass dieser Weg sie zu Jacob führen wird.
Dominique begegnet dem nächsten Geschöpf aus dem Dorf, als dieses aus dem türlosen Eingang einer Hütte humpelt, die nur aus einem Zimmer besteht. Das armselige
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