2012- Die Rückkehr
»Medikamente! Bring mir die … Medikamente!«
Edith wendet sich an Rabbi Steinberg, den einzigen weiteren Menschen im Entbindungszimmer. »Richard, hol den Arzt.«
Der bärtige Rabbi mit dem kastanienbraunen Haar öffnet die Tür und eilt an zwei bewaffneten Sicherheitsbeamten vorbei mitten hinein in das Chaos des Hauptkorridors.
Ein Dutzend Polizisten haben vor jeder der drei Zugangstreppen eine menschliche Barrikade gebildet, die die anschwellende Meute der Reporter zurückdrängt. Zwei Krankenschwestern und ein Pfleger streiten sich vor dem
offenen Schwesternzimmer mit Mitgliedern des Gefolges der Gouverneurin Grace Demers, während diese ihrerseits heftig auf Dominiques Privatschwester einredet.
»… wir hatten eine Abmachung, Mrs. Klefner.«
»Hey, ich hab Sie angerufen, genau wie ich’s Ihnen versprochen hatte. Ist doch nicht meine Schuld, wenn die Schwangere niemanden außer der alten Frau und dem Juden im Entbindungszimmer haben will. Wenn Ihnen das nicht gefällt, können Sie Ihr Geld nehmen und es dorthin stecken, wo der liebe Gott Ihnen einen Spalt verpasst hat.«
»Jetzt hören Sie mir mal zu …«
»Schwester Klefner?« Rabbi Steinberg packt die Schwester am Arm und zieht sie von der Gouverneurin weg. »Wo ist Dr. Wishnov?«
»Wer sind Sie denn?«
»Ich bin der Jude. Wo ist der Arzt?«
»Oh. Er versucht, einen Operationssaal zu sichern.«
Steinberg eilt den Korridor hinab.
Die Gouverneurin stürzt ihm hinterher und holt ihn ein. »Rabbi, warten Sie. Wir müssen reden. Schaffen Sie mich rein, damit ich bei der Geburt dabei sein kann. Es wird sich lohnen für Sie.«
Steinberg sieht, wie Bruce Wishnov, Dominiques Geburtshelfer, den gegenüberliegenden Korridor entlangeilt.
»Ich wette, Ihre Synagoge könnte einen neuen Parkplatz gebrauchen.« Sie senkt ihre Stimme. »Oder würden Sie einen Kredit vorziehen?«
Steinbergs Blutdruck schießt in die Höhe. »Geh feifen ahfen yam.«
»Wie bitte?«
»Das ist Jiddisch und bedeutet: Verkaufen Sie Ihre Fische woanders.«
Der Rabbi springt beiseite, als ein stämmiger hispanischer Polizist zwei mit Handschellen gefesselte Reporter in ein Zimmer zerrt, das als behelfsmäßige Zelle dient. Dann läuft er los und passt Dr. Wishnov ab, der von Kopf bis Fuß grüne Chirurgenkleidung trägt. »Wo waren Sie? Dominique hat Wehen, sie braucht eine Epiduralanästhesie.«
»Vielleicht braucht sie sogar einen Kaiserschnitt. Der Operationssaal ist vorbereitet, aber die Meute wird immer schlimmer. Ich dachte, Chaney wollte die Nationalgarde schicken?«
»Ja.« Steinberg kann nur unter Mühen mit dem Arzt Schritt halten. »Das hat man uns gesagt.«
Die Wachen treten beiseite, sodass der Arzt und der Rabbi wieder ins private Entbindungszimmer gelangen können.
Edith steht am Fenster und sieht zwischen den hölzernen Fensterläden hindurch auf die Szene hinab, die sich drei Stockwerke tiefer abspielt. Die Nacht wird von Sirenen und kreisenden Scheinwerfern zerrissen, die die Menge in blaues und rotes Licht tauchen. Indios aus Mittelamerika, Nachrichtenreporter und religiöse Fanatiker blockieren den Parkplatz und die Klinikzufahrt und liefern sich ein Gerangel mit der Ortspolizei. Das tiefe Dröhnen der Hubschrauber verschiedener Nachrichtensender lässt die schwüle Luft vibrieren, die blendend weißen Scheinwerfer strahlen zwischen den Palmwedeln hindurch und lassen bizarre Schatten über die Glasfassade des Gebäudes tanzen.
»Das müssen zehntausend Leute da draußen sein. Wo bleibt denn die Nationalgarde?«
»Ohhh!«, stöhnt Dominique, als eine neue Wehe ihren Höhepunkt erreicht. Ihre schwarzen Ponyfransen kleben an ihrer Stirn, und Schweißperlen rinnen ihr über die
hohen Wangenknochen. Sie packt den Arzt so heftig beim Arm, dass sich ihre Fingernägel in seine Haut graben. »Holen Sie die Babys aus mir raus.«
Dr. Wishnov löst die kleinen Räder ihres Betts. »Halten Sie durch. Wir bringen Sie in einen Operationssaal.«
»Nein! Kein Kaiserschnitt! Es ist so weit. Holen Sie sie einfach nur raus. Ohhh!«
Der Arzt geht zwischen Dominiques Beinen in die Hocke und hebt ihr Nachthemd. »Sie haben Recht. Der Muttermund hat sich zehn Zentimeter weit ausgedehnt.«
»Was Sie nicht sagen!«
Das Lärmen der Menge wird immer lauter. »Okay, vergessen Sie den Kaiserschnitt. Wir machen es auf die altmodische Art. Wo ist die Schwester?«
»Sie verkauft uns gerade an die Medien«, sagt der Rabbi. »Ich will sie hier drin nicht sehen.«
Dr. Wishnov blickt
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