2012 - Schatten der Verdammnis
ruiniert. Es
wird eine jahrelange Therapie brauchen, um das zu korrigieren. Dominique schüttelt traurig den Kopf.
»Was ist?«
»Nichts. Ich hab mir nur vorgestellt, wie dein Vater seinem elfjährigen Sohn die Bürde aufgepackt hat, seine sterbende Mutter zu pflegen.«
»Es war keine Bürde, es war mein Dank für alles, was sie mir gegeben hat. Im Rückblick bin ich nicht sicher, ob ich es mir überhaupt anders gewünscht hätte.«
»War er da, als sie gestorben ist?« Ihre Worte lassen Mick zusammenzucken.
»Ja, er war da.« Er blickt auf den Horizont. Seine Augen werden hart bei der Erinnerung, dann plötzlich wach wie die eines Falken. Hastig greift er nach dem Fernglas.
Am westlichen Horizont ragt etwas auf.
Mick hebt den Arm. »Da drüben ist eine Ölplattform, und zwar eine große. Ich hab gedacht, dein Vater hätte gesagt, so etwas gäbe es hier nicht?«
»Das stimmt.«
Mick stellt das Glas scharf. »Das ist keine mexikanische Insel. Ich sehe eine amerikanische Flagge. Da stimmt was nicht.«
»Mick...« Dominique zeigt aufs Wasser.
Er sieht das herannahende Boot und richtet das Fernglas darauf. »Verdammt, das ist die Küstenwache. Stell die Maschine ab. Wie lange dauert es, bis wir das U-Boot ins Wasser bekommen können?«
Dominique hastet ins Ruderhaus. »Fünf Minuten. Willst du jetzt etwa sofort tauchen?«
»Jetzt oder nie.« Mick läuft zum Heck und zieht die graue Persenning von dem kapselförmigen Fahrzeug. Er lässt die Winde an. »Die Küstenwache wird unsere Ausweise verlangen, und dann nimmt man uns sofort fest. Schnell, pack ein bisschen Proviant ein.«
Dominique wirft ein paar Dosen Proviant und mehrere
Flaschen Wasser in einen Rucksack, dann steigt sie in das Mini-U-Boot, während der Kutter sich bereits auf hundert Meter genähert hat. Der Kapitän lässt warnend die Sirene ertönen.
»Mick - komm schon!«
»Lass die Maschine an, ich bin gleich da!« Mick verschwindet in der Kabine, um nach dem Tagebuch seines Vaters zu suchen.
»Hier spricht die Küstenwache der Vereinigten Staaten. Sie sind in gesperrte Gewässer eingedrungen. Stellen Sie alle Aktivitäten ein und bereiten Sie sich darauf vor, dass wir an Bord kommen.«
Hastig greift Mick nach dem Tagebuch, während das Boot der Küstenwache den Bug der Jolly Roger erreicht. Er rennt zurück zum Heck und löst das Seil der Winde.
»Keine Bewegung!«
Ohne auf die Warnung zu achten, springt Mick ins schützende Innere des fünf Meter langen Mini-U-Boots. Unsicher auf einer eisernen Leiter balancierend, greift er nach oben und verschließt die Luke. »Runter mit uns, schnell!«
Dominique sitzt angeschnallt auf dem Pilotensitz und versucht sich alles ins Gedächtnis zu rufen, was ihr Adoptivvater ihr gezeigt hat. Als sie das Steuer von sich wegdrückt, taucht das U-Boot ab, gerade als der Kiel des Küstenwachbootes mit seinem Höhenruder kollidiert.
»Festhalten!«
Das Boot sinkt steil in einem Fünfundvierzig-Grad-Winkel in die Tiefe. Die aus einer Titanlegierung gefertigten Platten des Rumpfes ächzen. Mick bückt sich und greift nach einer Sauerstoffflasche, die gefährlich auf den Bug zurollt. »He, Käpt’n, hoffentlich wissen Sie auch, was Sie da machen.«
»Benimm dich bloß nicht wie ein typischer Beifahrer.« Sie reduziert den Abstiegswinkel. »Okay, was sollen wir jetzt tun?«
Mick drückt sich an der Leiter vorbei und stellt sich hinter sie. »Wir finden heraus, was da drunten vor sich geht, dann steuern wir die Küste von Yukatan an.« Er beugt sich vor, um durch eines der zwanzig Zentimeter breiten und zehn Zentimeter dicken Bullaugen zu schauen.
Die Sicht ins tiefblaue Wasser wird durch eine Unzahl winziger Bläschen gestört, die am Rumpf des Bootes aufsteigen. »Ich sehe überhaupt nichts. Hoffentlich hat dieses Ding ein Sonargerät.«
»Direkt vor mir.«
Mick beugt sich über ihre Schulter und wirft einen Blick auf die orangefarben leuchtende Konsole. Dabei sieht er den Tiefenmesser: hundertfünf Meter. »Wie tief kann dieses Ding runtergehen?«
»Dieses >Ding< hat den Namen Barnacle. So weit ich weiß ist es ein sehr teures französisches Fahrzeug, eine kleinere Version der Nautile. Es ist für eine Tiefe von dreitausendvierhundert Metern ausgelegt.«
»Und du weißt wirklich, wie man es steuert?«
»Iz und der Besitzer haben mich an einem Wochenende mitgenommen und mir das Wichtigste beigebracht.«
»So, so, das Wichtigste.« Mick blickt sich um. Das Innere der Barnacle besteht aus einer
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