2012 - Schatten der Verdammnis
verbunden durch gewundene Wege, die sich durch die fremdartigen Strukturen schlängeln. Darunter blühen paradiesische Gärten zwischen mäandernden Flüssen und herabstürzenden Wasserfällen aus geschmolzener silberner Energie.
Es gibt keine Fahrzeuge, keinerlei Verkehr, und doch ist die Stadt ungemein lebendig. Zehntausende von Wesen - bis auf ihre länglichen Schädel dem Homo sapiens gleichend - bewegen sich zwischen den Gebäuden. Ein überwältigendes Gefühl der Freude und Entschlossenheit geht von ihnen aus.
Einen wunderbaren Augenblick lang ist Micks Bewusstsein von unendlicher Liebe umhüllt.
Und dann geschieht etwas Grässliches.
Während der ferne Feuerball von Mintaka untergeht, beginnt der friedliche Ozean sich zu drehen. Unheilvolle olivgrüne und blutrote Wolken rasen über den finster werdenden Himmel, während der kreisende Trichter eine immense Größe erreicht.
Mick sieht bleigrauen Seim aus der Mitte des Mahlstroms dringen. Die verseuchte Flüssigkeit überspült die unberührte Küste. Immer höher steigt die Flut, bis sie die Stadt der Nephilim erreicht.
Sein Bewusstsein nimmt die Gegenwart eines dämonischen Wesens wahr.
Finsternis senkt sich über die Stadt, breitet sich wie der Schatten einer großen Schlange in der paradiesischen Welt aus. Angsterfüllt sinken ihre humanoiden Bewohner zu Boden und greifen sich an die Kehle, während ihre Augen sich in leere schwarze Kugeln ohne Pupillen verwandeln.
Das Bild überwältigt ihn. Erneut verliert er das Bewusstsein.
Als Mick die Augen wieder öffnet, hat sich das, was einmal eine Zivilisation von strahlender Schönheit war, in ein monströses Werftgelände verwandelt. Zu Zombies geworden, schweben die Nephilim mit aschgrauen, ausdruckslosen Gesichtern und Augen, die aussehen wie leere schwarze Löcher, bewegungslos in der Luft. Mit unsichtbaren Händen schmiedet ihr versklavter Geist gewaltige Iridiumplatten an das Gerüst einer scheußlichen Kugel, die einen Durchmesser von elf Kilometern hat. Im Zentrum des Fahrzeugs befindet sich eine Kapsel von fünfzehnhundert Metern Durchmesser, ein mit dreiundzwanzig röhrenförmigen Gliedern ausgerüstetes Nervenzentrum.
In dieser kleineren Kugel schwebt, umgeben von unzähligen
fremdartigen Leitungen, eine hundert Meter lange Kapsel. Als Mick das abscheuliche Objekt betrachtet, erkennt er es sofort.
Das Gehäuse von Tezcatlipoca...
Und dann wird Micks Bewusstsein von einem eiskalten Schauder erfasst. Ungläubig sieht er, wie sich aus der Mitte des noch immer kreisenden Strudels ein bizarres Wesen erhebt.
Es ist eine Schlange, wie er sie noch nie gesehen hat. Das vipernhafte Gesicht ist mehr das eines Teufels als das eines Tieres; die Pupillen sind goldene Schlitze, umgeben von leuchtend purpurroten Hornhäuten, die eher maschinell als organisch wirken. Der Schädel ist so groß wie ein Betonmischer, der Körper so lang wie vier aneinander gereihte Busse.
Als die Schlange sich der Werft mit den Nephilim nähert, verändert sich Micks Perspektive. Die Kiefer des riesigen Tieres öffnen sich. Mehrere Reihen elfenbeinfarbener, messerscharfer Zähne werden sichtbar.
Aus dem Maul der Schlange tritt ein Humanoide.
Der Schatten des Todes huscht über Micks Seele. Das Gesicht des Wesens, dessen Kopf und Körper von einem schwarzen Umhang umhüllt sind, kann er nicht sehen, doch er weiß, dass er das reine Böse erblickt. Der Humanoide bewegt sich auf die Kapsel zu, dann streckt er deutend einen Arm aus. In seiner Hand glüht ein Jade-objekt, etwa so groß wie ein Fußball.
Die purpurroten Augen der Schlange glitzern, die goldenen Pupillen verschwinden. Angezogen von dem kleinen Objekt, folgt die geblendete Kreatur dem Wesen im Umhang, als stehe sie unter einem Zauberbann.
Die Schlange kriecht in die gewaltige Kapsel.
Micks geistiges Auge verlässt die bizarre Werft und wendet sich der Oberfläche des Planeten zu. Es gibt keine Spur mehr von tropischen Urwäldern oder Wasserfällen. Stattdessen sieht er Körper - die Körper von
Kindern, eingeschlossen in eine feste Schicht aus bleigrauem Teer. Ein tiefes Stöhnen steigt aus seiner Seele. Die jungen Nephilim sind lebendig und doch nicht.
Sein Bewusstsein bewegt sich näher. Mick blickt auf das Gesicht eines männlichen Kindes hinab.
Gelbe Augen öffnen sich und schauen ihn voll beklemmender Qual an.
Micks Geist versagt.
Wieder umkreist er Xibalba. Seine Seele bebt, als er beobachtet, wie ein Objekt von der Oberfläche des Planeten
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