2012 - Schatten der Verdammnis
nicht das Richtige für Sie, wenn Sie gerade so hart trainieren.«
»Na schön, Süße, ich werd darauf zurückkommen.« Der massige Rotschopf lächelt. »Hören Sie mal, wenn Sie irgendwas brauchen, fragen Sie mich einfach!«
»Ich brauch bestimmt nichts. Aber jetzt muss ich wirklich los, Dr. Foletta wartet...«
»Foletta kommt erst nachmittags. Heute ist das monatliche Treffen des Kuratoriums. Hey, ich hab gehört, er hat Ihnen diesen Patienten zugewiesen, den er mitgebracht hat. Wie heißt der wieder?«
»Michael Gabriel. Was wissen Sie über ihn?«
»Nicht viel. Er ist mit Foletta aus Massachusetts gekommen. Ich weiß, dass das Kuratorium und die Ärzte stocksauer waren, als er eingetroffen ist. Foletta muss allerhand Strippen gezogen haben.«
»Was wollen Sie damit sagen?«
Raymond dreht den Kopf, um ihrem Blick auszuweichen. »Ach, ist nicht so wichtig.«
»Kommen Sie schon. Erzählen Sie’s mir.«
»Nee. Ich muss endlich lernen, meine große Klappe zu halten. Foletta ist Ihr Chef. Ich will nichts sagen, wodurch Sie einen schlechten Eindruck gewinnen könnten.«
»Es bleibt unter uns.«
Zwei andere Wärter betreten die Zentrale und winken Raymond zu.
»Na schön, ich werd’s Ihnen erzählen, aber nicht hier. Zu viele Ohren mit großen Mäulern dran. Wir können uns ja beim Abendessen unterhalten. Ich bin um sechs fertig.« Die gelben Zähne blitzen auf, als Raymonds Mund sich zu einem triumphierenden Lächeln verzieht.
Der Wärter hält die Schranke für sie auf, und Dominique verlässt die Sicherheitszentrale. Während sie auf den Personalaufzug wartet, zieht sie eine Grimasse. Du musst noch viel lernen, Süße. Das hättest du von Anfang an kommen sehen sollen.
Marvis Jones beobachtet auf seinem Monitor, wie sie aus dem Aufzug steigt. »Morgen, junge Frau. Wenn Sie den Insassen Gabriel sehen wollen - der muss in seinem Zimmer bleiben.«
»Kann ich zu ihm?«
Der Wärter blickt von seinen Unterlagen auf. »Vielleicht sollten Sie lieber warten, bis der Direktor kommt.«
»Nein. Ich will jetzt mit ihm sprechen, und zwar nicht im Beobachtungsraum.«
Marvis sieht verärgert aus. »Davon würde ich dringend abraten. Der Mann ist als gewalttätig bekannt und...«
»Ich weiß nicht, ob ein einziger Vorfall in elf Jahren zu dieser Einschätzung berechtigt.«
Die beiden blicken sich in die Augen. Marvis erkennt, dass Dominique nicht nachgeben wird. »Na schön, Miss, wie Sie wollen. Jason, begleiten Sie Ms. Vazquez zu Zimmer siebenhundertvierzehn. Überlassen Sie ihr Ihren Alarmpiepser und schließen Sie von außen ab.«
Dominique folgt dem zweiten Wärter durch einen kurzen Flur, der zu der mittleren der drei Stationen im Nordflügel führt. Der Aufenthaltsbereich ist leer.
Vor Zelle 714 bleibt der Wärter stehen und spricht ins Mikrofon der Gegensprechanlage. »Mr. Gabriel, bleiben Sie auf Ihrem Bett, damit ich Sie sehen kann.« Er schließt die Tür auf und gibt ihr etwas, das wie ein dicker Kugelschreiber aussieht. »Wenn Sie mich brauchen, klicken Sie einfach zweimal auf dieses Ding da.« Er demonstriert es, worauf der Piepser an seinem Gürtel vibriert. »Passen Sie bloß auf. Lassen Sie ihn nicht zu nah an sich herankommen.«
»Danke.« Sie betritt die Zelle.
Der Raum ist drei mal dreieinhalb Meter groß. Durch ein knapp zehn Zentimeter hohes Band aus durchsichtigem Kunststoff fällt Tageslicht. Fenster gibt es nicht. Das Bett ist aus Metall und am Boden befestigt. Ebenso festgeschraubt sind der Tisch und die beiden Schränkchen daneben. An der rechten Wand sind ein Waschbecken und eine stählerne Toilettenschüssel verankert, in einem Winkel, der dem Benutzer einen gewissen Schutz vor dem Blick vom Flur her bietet.
Das Bett ist gemacht, das Zimmer in perfekter Ordnung. Michael Gabriel sitzt auf der Kante einer Matratze, die nicht dicker ist als ein Taschenbuch. Er steht auf und begrüßt sie mit einem warmen Lächeln. »Guten Morgen, Dominique. Offenbar ist Dr. Foletta noch nicht wieder da. Welch ein Glück!«
»Woher wissen Sie das?« »Weil wir uns in meiner Zelle unterhalten statt im Beobachtungsraum. Bitte, setzen Sie sich doch aufs Bett,
ich nehme mit dem Boden vorlieb. Oder bevorzugen Sie lieber die Toilette?«
Sie erwidert sein Lächeln und setzt sich auf die Kante der Matratze.
Mick lehnt sich an die Wand zu ihrer Linken. Seine schwarzen Augen funkeln im Neonlicht.
Ohne Zeit zu vergeuden fängt er gleich an, sie auszufragen. »Na, wie war Ihr Wochenende? Haben Sie das
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