2012 - Schatten der Verdammnis
was mit mir geschah, hatte man mich schon zum Irren abgestempelt. Anschließend hat der Richter mich in eine verwahrloste Anstalt in Massachusetts geschickt, an einen Ort, an dem Borgia ein Auge auf mich haben konnte. Ein Auge, na ja - verzeihen Sie das Wortspiel.«
»Sie behaupten, Borgia hat die Justiz manipuliert. Wie?«
»Auf dieselbe Weise, wie er Foletta, dem man mich in die Finger gegeben hat, noch heute manipuliert. Pierre Borgia belohnt Loyalität, aber gnade dir Gott, wenn du auf seine schwarze Liste kommst. Wie auch immer, der
Richter, der mich zum kriminellen Irren gestempelt hat, saß innerhalb von drei Monaten nach seiner Entscheidung im Obersten Gerichtshof von Massachusetts. Wenig später hat man unseren guten Doktor zum Direktor der Anstalt gemacht, in der ich saß. Dabei hat er es irgendwie geschafft, etwa ein Dutzend höher qualifizierte Bewerber zu überspringen.«
Die schwarzen Augen lesen ihre Gedanken. »Sagen Sie schon, was Sie wirklich denken, Dominique. Sie denken, ich bin ein total weggetretener, paranoider Schizophrener.«
»Das hab ich nicht gesagt. Was ist mit dem anderen Vorfall? Leugnen Sie, dass Sie brutal über einen Wärter hergefallen sind?«
Mick starrt zu ihr empor. Der Blick in seinen Augen ist entnervend. »Der Mann, von dem Sie sprechen, Robert Griggs, war weniger homosexuell als sadistisch veranlagt. Man hätte sein Verhalten wahrscheinlich als durch Wut und Erregung motivierten Vergewaltigungsdrang diagnostiziert. Einen Monat vor meiner ersten großen Evaluation hat Foletta ihn absichtlich für die Nachtschicht in meiner Station eingeteilt. Es war immer gegen zwei Uhr morgens, dann hat der gute alte Griggsy seine Runde gedreht.«
Dominique spürt ihr Herz pochen.
»Dreißig Insassen pro Station, die alle mit einem Handgelenk und einem Knöchel an die Mittelpfosten ihrer Betten gefesselt sind. Eines Nachts kam Griggs besoffen herein und hat sich nach mir umgesehen. Ich nehme an, er hatte mich als neueste Ergänzung seines Harems auserkoren. Zuerst mal hat er mich ein wenig vorbereitet, indem er mir einen Besenstiel in...«
»Das reicht! Wo waren die anderen Wärter?«
»Griggs war der Einzige. Da ich sonst nichts tun konnte, um ihn aufzuhalten, hab ich ihm Honig ums Maul geschmiert und versucht, ihm beizubringen, dass er die
Sache noch ein wenig mehr genießen könnte, wenn ich beide Beine frei hätte. Da hat das dumme Arschloch doch tatsächlich meine Beinfessel aufgeschlossen. Ich will Sie nicht mit den Details der folgenden Minuten langweilen...«
»Die kenne ich schon. Sie haben sozusagen Rührei aus seinen Geschlechtsteilen gemacht.«
»Ich hätte ihn umbringen können, aber das hab ich nicht getan. Ich bin kein Mörder.«
»Und dafür haben Sie seither in Einzelhaft gesessen?«
Mick nickt. »Elf Jahre im Betonbunker. Kalt und hart, und sonst nichts. Aber jetzt sind Sie dran. Wie alt waren Sie, als Ihr Cousin Sie vergewaltigt hat?«
»Tut mir Leid, aber ich fühle mich nicht wohl dabei, mit Ihnen darüber zu sprechen.«
»Weil Sie die Therapeutin sind und ich der Irre?«
»Nein, ich meine - ja, weil ich die Ärztin bin und Sie sind mein Patient.«
»Sind wir denn wirklich so verschieden, Sie und ich? Glauben Sie, Rosenhans Leute könnten herausbekommen, wer von uns in diese Zelle gehört?« Er lehnt sich an die Wand zurück. »Darf ich Sie Dom nennen?«
»Ja.«
»Dom, die ständige Isolation hinterlässt ihre Spuren. Wahrscheinlich leide ich an Sinnesdeprivation und womöglich mache ich Ihnen sogar ein wenig Angst, aber ich bin geistig genauso gesund wie Sie oder Foletta oder der Wärter da draußen vor der Tür. Was kann ich tun, um Sie davon zu überzeugen?«
»Nicht mich müssen Sie überzeugen, sondern Dr. Foletta.«
»Ich hab Ihnen doch schon gesagt, dass Foletta von Borgia manipuliert wird, und der wird mich nie rauslassen.«
»Ich kann mit Foletta reden, kann ihn drängen, Ihnen dieselben Rechte und Vergünstigungen zuzugestehen
wie den anderen Insassen. Mit der Zeit könnte ich dann...«
»Ach, Mensch, mir ist doch jetzt schon klar, was Foletta sagen wird: >Wachen Sie auf, Ms. Vazquez. Sie fallen bloß auf Gabriels berühmte Verschwörungstheorie herein.< Wahrscheinlich hat er Sie schon davon überzeugt, dass ich ein zweiter Ted Bundy bin.«
»Überhaupt nicht. Mick, ich habe Psychiatrie studiert, um Menschen wie Ihnen zu helfen, und...«
»Menschen wie mir. Irren?«
»Lassen Sie mich ausreden. Sie sind kein Irrer, aber ich glaube, Sie
Weitere Kostenlose Bücher