2012 - Schatten der Verdammnis
die Ellbogen auf die Knie. Er starrt auf den Boden und legt die Zeigefinger an beide Seiten seines Nasenbeins. »Ich nehme an, Sie sind katholiscli’?«
»Ich bin katholisch getauft, aber seit meinem vierzehnten
Lebensjahr bei jüdischen Adoptiveltern aufgewachsen. Und Sie?«
»Meine Mutter war Jüdin, mein Vater Protestant. Halten Sie sich für einen religiösen Menschen?«
»Eigentlich nicht.«
»Glauben Sie an Gott?«
»Ja.«
»Glauben Sie an das Böse?«
»An das Böse?« Die Frage erschreckt sie. »Das ist ein wenig vage. Könnten Sie das genauer ausdrücken?«
»Ich spreche nicht über Menschen, die grässliche Verbrechen begehen. Ich beziehe mich auf das Böse als einen eigenständigen Aspekt, der Teil unserer gesamten Existenz ist.« Mick hebt den Kopf und richtet den Blick auf sie. »In der jüdisch-christlichen Überlieferung zum Beispiel manifestiert sich das Böse zuerst als Schlange, die in den Garten Eden eindringt und Eva dazu verlockt, in den berühmten Apfel zu beißen.«
»Als Psychiater glaube ich durchaus nicht, dass wir böse oder gut geboren werden. Ich glaube, wir haben die Anlage zu beidem. Der freie Wille lässt uns die Wahl.«
»Und was wäre, wenn... wenn irgendetwas unseren freien Willen beeinflusst, ohne dass wir es wissen?«
»Was meinen Sie damit?« »Manche Menschen glauben an die Existenz einer übel wollenden Kraft, die ein Teil der Natur ist. An eine Art Wesen, das im Verlauf der gesamten Menschheitsgeschichte auf diesem Planeten existiert hat.«
»Jetzt komme ich nicht mehr mit. Was hat das Ganze mit dieser Prophezeiung des Weltuntergangs zu tun?«
»Als rationale Person fragen Sie mich, ob ich glaube, dass die Menschheit zugrunde gehen wird. Als rationale Person bitte ich Sie, mir zu erklären, weshalb jede wichtige Kultur des Altertums das Ende der Menschheit vorhergesagt hat. Ich bitte Sie, mir zu erklären, weshalb jede große Religion von einer Apokalypse spricht und auf
einen Messias wartet, der zurückkehren soll, um unsere Welt vom Bösen zu befreien.«
»Das kann ich nicht. Wie die meisten Leute weiß ich es einfach nicht.«
»Mein Vater hat’s auch nicht gewusst. Aber da er ein rationaler Mann der Wissenschaft war, wollte er es herausbekommen. Deshalb hat er der Suche nach der Wahrheit sein Leben gewidmet und das Glück seiner Familie geopfert. Er hat Jahrzehnte damit verbracht, in uralten Ruinen nach Anhaltspunkten zu suchen. Und schließlich hat er etwas entdeckt, was so unfassbar war, dass es ihn an den Rand des Wahnsinns getrieben hat.«
»Was hat er denn entdeckt?«
Mick schließt die Augen. Sein Tonfall wird weich. »Hinweise. Hinweise, die bewusst und sorgfältig für uns hinterlassen wurden. Dinge, die auf die Existenz eines Wesens hindeuten - eines Wesens, das so böse ist, dass sein Erscheinen das Ende der Menschheit bedeuten wird.«
»Das versteh ich wieder nicht.«
»Ich kann es nicht erklären, ich weiß nur, dass ich - irgendwie - spüren kann, wie sein Einfluss stärker wird.«
Er versucht krampfhaft, rational zu bleiben. Lass ihn weiterreden. »Sie sagen, dieses Wesen ist böse. Woher wissen Sie das?«
»Ich weiß es einfach.«
»Da geben Sie mir aber nicht viel in die Hand, womit ich weitermachen könnte. Und den Kalender der Maya würde ich nicht gerade als Beweismittel bezeichnen...«
»Der Kalender ist nur die Spitze des Eisbergs. Überall auf der Erde sind außergewöhnliche, unerklärliche Zeichen verstreut, astronomisch ausgerichtete Wunder, die allesamt Teile eines einzigen, riesigen Puzzles darstellen. Selbst die größten Skeptiker können ihre Existenz nicht leugnen. Es sind die Pyramiden von Giseh und Chichén Itzä, die Tempel von Angkor Wat und Teotihuacän,
Stonehenge, die Karten des Piri Re’is und die Zeichnungen in der Wüste von Nazca. Um diese Wunder zu schaffen, hat es Jahrzehnte harter Arbeit gebraucht, und es ist noch heute ein Geheimnis, mithilfe welcher Techniken das möglich war. Mein Vater hat herausgefunden, dass eine einheitliche Intelligenz dahinter steht, dieselbe Intelligenz, die für die Erschaffung des Maya-Kalenders verantwortlich war. Noch wichtiger ist die Tatsache, dass all diese Zeichen einem gemeinsamen Zweck dienen, dessen Bedeutung im Lauf der Jahrtausende verloren gegangen ist.«
»Und worin besteht dieser Zweck?«
»In der Rettung der Menschheit.«
Foletta hat Recht; er glaubt tatsächlich daran. »Also, nochmal von vorne. Ihr Vater war der Ansicht, all diese prähistorischen Stätten
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