2012 - Schatten der Verdammnis
hinzufügen.«
»Aber gibt uns das das Recht, ihn weiter einzusperren? Er hat schon elf harte Jahre hinter sich, und ich hab keinerlei Hinweise für ein kriminelles Verhalten finden können.«
»Den Akten zufolge, die Sie mir gezeigt haben, hat Dr. Foletta soeben seine jährliche Evaluation fertig gestellt, und die haben Sie persönlich unterschrieben. Wenn Sie irgendwelche Einwände haben, hätten Sie die früher äußern sollen.«
»Das ist mir inzwischen auch klar. Können Sie mir vielleicht irgendeinen Rat geben - kann ich irgendetwas tun, um Folettas Empfehlungen zu konterkarieren?«
»Sie wollen die Empfehlungen Ihres Betreuers in Frage stellen? Auf welcher Basis?«
Da geht’s schon los... »Auf der Basis meiner persönlichen Überzeugung, dass... nun, dass die Behauptungen des Patienten eine nähere Untersuchung verdienen könnten.«
Prof. Owen wirft Dominique ihren berüchtigten umnebelten Blick zu, der schon viele Hoffnungen auf einen
erfolgreichen Studienabschluss zunichte gemacht hat. »Junge Frau, wollen Sie mir etwa erklären, Mr. Gabriel hat Sie tatsächlich davon überzeugt, dass uns der baldige Weltuntergang droht?«
Du lieber Himmel, jetzt bin ich erledigt... »Nein, Ma’am, aber offenbar wusste er schon im Voraus von diesem Radiosignal aus dem Weltraum und...«
»Nein. Wie auf der Kassette deutlich wird, hatte er keine Ahnung, was genau geschehen würde. Er hat nur irgendein Ereignis am Tag des Äquinoktiums vorausgeahnt.«
Owen schweigt. In ihre Augen tritt wieder der strenge Blick von vorher, was Schweißperlen in Dominiques Achselhöhlen treibt.
»Professor Owen, es geht mir ausschließlich darum, dass mein Patient die bestmögliche Therapie erhält. Außerdem mache ich mir Sorgen, dass... dass er von vornherein nicht korrekt beurteilt wurde.«
»Aha. Also, wenn ich recht verstehe, behandeln Sie Ihren allerersten Patienten nun seit nahezu einem Monat« - Owen wirft einen Blick in ihre Notizen -, »nein, Moment mal, da hab ich einen Fehler gemacht. Es ist mehr als ein Monat. Fünf Wochen, um genau zu sein.« Owen geht zur Tür ihres Büros und schließt sie nachdrücklich. »Fünf ganze Wochen an Ort und Stelle, und schon zweifeln Sie nicht nur die Behandlung der letzten elf Jahre an, Sie sind auch bereit, dem Direktor der Anstalt Paroli zu bieten, weil Sie hoffen, dass Mr. Gabriel dann auf die Welt losgelassen werden kann.«
»Mir ist bewusst, dass ich nur eine Praktikantin bin, aber wenn ich etwas sehe, was nicht richtig ist, hab ich dann nicht die moralische und berufliche Pflicht, dagegen anzugehen?«
»Na schön. Auf der Basis Ihrer grenzenlosen beruflichen Erfahrung sind Sie also der Meinung, dass Dr. Anthony Foletta, ein angesehener klinischer Psychiater,
nicht in der Lage ist, seine eigenen Patienten korrekt einzuschätzen. Richtig?«
Gib keine Antwort. Beiß dir auf die Zunge.
»Sitzen Sie nicht einfach da und beißen sich auf die Zunge. Antworten Sie mir.«
»Ja, Ma’am.«
Owen platziert sich so auf die Kante ihres Schreibtischs, dass sie ihren Schützling bedrohlich überragt. »Ich will Ihnen mal sagen, was ich denke, junge Frau. Ich denke, dass Sie den Überblick verloren haben. Ich denke, Sie haben den Fehler gemacht, sich emotional auf Ihren Patienten einzulassen.«
»Nein, Ma’am, ich...«
»Es handelt sich zweifellos um einen cleveren Burschen. Als er seiner jungen, neuen, weiblichen Therapeutin erzählt hat, er sei im Gefängnis sexuell missbraucht worden, hat er gehofft, an eine gewisse Schwäche zu rühren, und das ist ihm wahrlich gelungen. Wachen Sie auf, Dominique. Merken Sie nicht, was da passiert? Aufgrund Ihres eigenen Kindheitstraumas haben Sie Mitgefühl mit Ihrem Patienten. Aber Mr. Gabriel ist nicht drei Jahre lang von seinem Cousin missbraucht worden, oder? Man hat ihn nicht um ein Haar tot geschlagen...«
Hör auf, verdammt noch mal, hör bloß auf...
»Viele Frauen, die ähnliche Erfahrungen wie Sie durchgemacht haben, gehen mit ihren posttraumatischen Symptomen um, indem sie sich in der Frauenbewegung engagieren oder Kampfsport betreiben, wie Sie es tun. Aber der Einfall, sich beruflich der klinischen Psychiatrie zuzuwenden, war ein Fehler, wenn Sie vorhaben, das als alternative Therapiemethode zu verwenden. Wie können Sie hoffen, Ihren Patienten zu helfen, wenn Sie sich emotional derart auf sie einlassen?«
»Ich weiß, was Sie sagen wollen, aber...«
»Kein aber.« Owen schüttelt den Kopf. »Meiner Meinung nach haben Sie Ihre
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