2012 - Schatten der Verdammnis
Objektivität bereits verloren.
Um Himmels willen, Dominique, dieser Psychopath hat Sie schon davon überzeugt, dass in zehn Wochen die gesamte Menschheit zugrunde geht!«
Dominique wischt sich Tränen aus den Augen und unterdrückt ein Lachen. Es stimmt, denkt sie. Mick hat sie emotional derart um den Finger gewickelt, dass sie nicht mehr nur im therapeutischen Rahmen auf ihn eingegangen ist. Sie hat sich von seinen Wahnvorstellungen in den Bann ziehen lassen. »Ich schäme mich.«
»Das sollten Sie auch. Weil Mr. Gabriel Ihnen Leid tut, haben Sie die Dynamik der Beziehung zwischen Therapeut und Patient ruiniert. Deshalb bin ich gezwungen, mich mit Dr. Foletta in Verbindung zu setzen und zugunsten von Mr. Gabriel zu intervenieren.«
Ach, du Scheiße. »Was haben Sie vor?«
»Ich werde verlangen, dass Foletta Ihnen einen anderen Insassen zuteilt. Unverzüglich.«
Miami, Florida
Seit sechs Stunden schreitet Mick Gabriel nun schon im Hof umher.
Wie ferngesteuert weicht er der Schar unzurechnungsfähiger oder krimineller Psychopathen aus, während er sich darauf konzentriert, die Stücke des verhängnisvollen Puzzles zusammenzufügen, die in seinem Geist schweben.
Das Radiosignal und das Herabsteigen der gefiederten Schlange. Das dunkle Band und Xibalba. Mach nicht den Fehler, alles einfach wild zusammenzuwerfen. Unterscheide Ursache und Wirkung, Tod und Rettung, das Böse vom Guten. Hier sind zwei Kräfte am Werk, zwei unterschiedliche Faktoren, von denen die Prophezeiung der Maya spricht. Gut und Böse, Böse und Gut. Was ist gut? Warnungen sind gut. Der Maya-Kalender ist eine Warnung, ebenso wie die Zeichnungen
von Nazca und der Schatten, der am Tag des Äquinoktiums auf der Kukulkan-Pyramide erscheint. Jede Warnung, die uns ein bärtiger weiser Mann mit europäischen Zügen hinterlassen hat, spricht von der Ankunft des Bösen. Aber das Böse ist schon da, es ist immer da gewesen. Ich hab es früher schon gespürt, aber noch nie so stark. Hat das Funksignal aus dem All es womöglich ausgelöst, es irgendwie verstärkt? Und wenn das stimmt, wo ist es?
Er bleibt stehen und lässt sich von der tief stehenden Sonne das Gesicht wärmen.
Xibalba - die Unterwelt. Ieh spüre, wie die Schwarze Straße, die in die Unterwelt führt, stärker wird. Im Popol Vuh steht, die Herren der Unterwelt hätten das Böse auf Erden verstärkt. Wie ist das möglich... wenn diese böswillige Kraft auf der Erde nicht schon immer dagewesen ist?
Mick öffnet die Augen.
Was ist, wenn sie doch nicht schon immer dagewesen ist? Wenn sie irgendwann angekommen ist, vor langer Zeit, noch vor der menschlichen Evolution? Was ist, wenn sie einfach untätig geruht und darauf gewartet hat, dass dieses Funksignal sie weckt?
Es ist fünf Uhr geworden. Das Summen des Lautsprechers ruft eine entfernte Erinnerung ans Abendessen wach. In Gedanken ist Mick wieder in der Wüste von Nazca und schreitet mit seinem Metalldetektor über die flache Hochebene. Das elektrische Summen des Detektors fordert ihn auf, in dem weichen gelben Sand zu graben, Seite an Seite mit seinem kranken Vater.
In der Erinnerung entdeckt er im Boden den Iridiumbehälter und zieht die uralte Karte heraus. Sein Blick fällt auf den roten Kreis, der einen mysteriösen Ort im Golf von Mexiko markiert.
Der Golf von Mexiko... der Behälter - er war aus Iridium! Ungläubig weiten sich seine Augen. »Verflucht, Gabriel, wie konntest du bloß so blind sein!«
Mick rennt die Betontreppe empor in den zweiten
Stock, in dem sich das Therapiezentrum befindet. Er drängt sich an einer Gruppe von Insassen vorbei und betritt den Computerraum.
Eine Frau mittleren Alters begrüßt ihn freundlich. »Guten Tag! Ich heiße Dorothy und ich...«
»Ich muss einen von Ihren Computern benutzen!«
Sie geht zu ihrem Laptop. »Ihr Name?«
»Gabriel. Michael Gabriel. Schauen Sie unter >Foletta< nach.« Mick sieht einen freien Terminal. Ohne zu warten, setzt er sich, merkt jedoch gleich, dass die Steuerung durch Stimmbefehle nicht funktioniert. Mit der Maus aktiviert er die Internetverbindung.
»Jetzt warten Sie mal einen Augenblick, Mr. Gabriel. Es gibt bestimmte Regeln hier. Sie können sich nicht einfach auf einen Computer stürzen, Sie brauchen eine Erlaubnis von Ihrem...«
Zugang verweigert.
Bitte geben Sie Ihr Passwort ein.
»Ich brauche ein Passwort, Dorothy. Es dauert nur eine Minute. Können Sie mir nicht Ihr eigenes Passwort sagen, bitte...«
»Nein, Mr. Gabriel, das geht nicht. Es haben
Weitere Kostenlose Bücher