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2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)

2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)

Titel: 2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian D'Amato
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aber trotzdem kam es mir so vor, als hebe sich 1-Ozelot mit dem letzten Krachen gegen die blutrote Sonne ab und riefe mich in die Zitadelle. Feuer flammte in seinem Maul und seinen Augen; Licht in einem grünlichen Nordlichtton flackerte unstet durch den Rauch. Die Fackeln waren aus gereinigten Wachsmyrtenbeeren gerollt und mit Tran durchfeuchtet und brannten heller als jedes künstliche Licht, das irgendjemand seit der Einsetzung von 9-Reißzahn-Kolibri erblickt hatte. Die Menschenmengen tief unter mir wurden gespenstisch still. Ich trat vor, hoch auf die zweite Vorstufe, weiter, die beiden Stufen hoch, und dann in das Loch im Himmel. Innen wirkte es größer als von draußen, und das, obwohl all diese Katzenmenschen – die meisten waren Mumien mit Masken, aber in einigen war Leben – um mich waren, all diese Hitze, dieses Licht und der sich an den mit Pyritmosaiken besetzten Wänden widerspiegelnde Schein der Fackeln, deren Flammen sich nicht endlos fortsetzten, wie es in einem glatten Glasspiegel der Fall gewesen wäre, sondern sich zu einer Art metallischem Nebel zusammenfügten wie einem Sturmwind aus goldenen Uhrfedern. Das Orakel kam hinter mir näher und führte mich ins Allerheiligste, dasKodesch Hakodaschim, wie wir Hebräisch-Freaks es nennen würden. Es war voller Krüge und Vasen und großer Töpfe auf heißen Kohlebecken. Ich kniete auf einer heißen Matte nieder. Vor mir lag reglos 6-Murmelnd, ein gefangener Schildpatt-Jaguar, nicht gefesselt, aber schwer narkotisiert auf einem breiten, leicht konkaven Altar. Der Hierophant kauerte links von ihm nieder und stellte einen kurzen Tisch zwischen uns, darauf fünf kleine Tamales, jedes in der Farbe seiner Richtung. Das blaue in der Mitte war größer als die anderen. Jedes der vier äußeren Tamales war mit kurzen Seeigelstacheln besetzt, und jeder einzelne Stachel war mit einem Streifen der schwarz-gelben Haut von Pfeilgiftfröschen umwickelt. Das Orakel wich rückwärts zurück und verschwand die Treppe hinunter.
    Ich blickte mich um. Die Gestalten um mich her wirkten so unangenehm, dass ich wieder die Augen schloss. Ich wankte leicht; ich war ein wenig benommen vom Rauch und der Dunkelheit. Eine Stimme krächzte:
    »Nun bist du noch immer nicht von unserem Fleische.«



(57)

    Niemand sonst war im Raum. Das Blut wich aus meinem Kopf. Eine Halluzination? Nein. Irgendwo versteckt. Sprechrohr. Jawohl. Der Steingott vor mir saß wahrscheinlich auf einer senkrechten Röhre, die bis hinunter in die Grabkammern und die Höhlen reichte. So etwas war ziemlich verbreitet, erinnerte ich mich; in ganz Mittelamerika gibt es Pyramiden mit Geisterröhren. Nur hatten die Archäologen gesagt, dass es bloß Gespensterdinger seien. Mit anderen Worten: funktionsuntüchtig. Doch in diesem Fall saß der Oberpriester irgendwo da unten. Vielleicht waren andere Addierer bei ihm in den Höhlen. Wusste 2 JS , dass sie da unten noch lebten? Ich müsste ihn fragen, wenn ich Koh überzeugen konnte, mich für länger als einen Augenblick an seinen Käfig zu lassen. Wusste Koh davon? Wusste das Orakel, dass sie dort waren und wie man hineinkam? Das Orakel hatte ihm mit dem Schlag gerufen. Hieß das, man konnte sie auf diese Weise jederzeit hochklingeln, oder musste man vorher einen Termin …
    »Wie als ich dich zum ersten Mal spürte, folgst du dem Tod«, sagte die Sandsteinstimme in alter Hofsprache.
    Ich wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte, also murmelte ich irgendeine Phrase von Zur Linken, die darauf hinauslief, dass das Unausweichliche auch das Notwendige sei.
    »Du willst dein eigenes K’atun lesen«, sagte er.
    Damit meinte er die Zukunft. Ich bejahte.
    »Dann sag mir, was ich mit diesen tun soll«, sagte er,
    »Und wenn du recht hast, gebe ich dir einen davon.
    Und wenn du unrecht hast, bekommst du gar nichts.«
    Ich musste ihn bewegen, mir das blaue Tamale zu geben, das mit dem Blut Ozelots gebacken war und mich zu seinem Sprecher auf der Null-Ebene machen würde. Andernfalls würde man mir eines der anderen in den Mund zwingen, und das wäre mein Tod. Oder, wie er sagte, er gäbe mir gar nichts. Auch in diesem Fall hätte ich verloren. Er würde ein Zeichen geben, und wenn ich herauskam, würden die Opferer mich mit einem Blasrohr hinrichten, und in ein paar Minuten rollten sie meine Leiche die Treppe hinunter.
    Prima, dachte ich. Alles sehr Matrix avant la lettre. Gut, dass ich Rätsel mag. Nur einen Schlag.



(58)

    »Du wirst behalten das gelbe Tamale, und

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