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2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)

2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)

Titel: 2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian D'Amato
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Rhythmus. Er drängte sich an die Stelle des obersten Opferers und brachte die Reihe vom Weg ab wie Charlie Chaplin bei der Parade in Moderne Zeiten . Die Menge mochte es sehr. 0-Stachelschwein war der einzige echte Clown, der sich während der Opferungen und dem Stadtspiel auf dem Zócalo aufhalten durfte. Koh hatte ihm befohlen, nichts wirklich durcheinanderzubringen, sondern nur die Anspannung der Zuschauer ein wenig aufzulockern.
    Schließlich vollendeten die alten Männer ihren Part und brachten das erste Geschenk an die Basis der Mul. Es stammte aus dem Schnupfer-Haus, das 9-Reißzahn-Kolibri unterstützt hatte und mir daher das erste Geschenk schuldete. Und noch mehr. Ziemlich viel. Mit euch befasse ich mich später, Jungs, dachte ich. Sie wickelten das Goldtuch ab und boten mir den Gefangenen dar. Soweit ich es aus meiner erlauchten Höhe erkennen konnte, war er ein angemessen hübscher Junge, ein volles Geblüt, der gerade zu pubertieren begann. Die Darsteller der Ozelot-Ahnen hatten nun wieder einen Auftritt und schauspielerten größtes »Erstaunen«, als sähen sie den Jungen zum allerersten Mal; dann drängten sie näher und begannen ihn zu umtanzen, als wollten sie singen: »Wir werden dich fressen, fressen,fressen …« oder so etwas; dann sprangen sie ihn an und bedeckten ihn völlig. Über ihnen bewegten ihre Schwänze sich in kleinen Rucken, ahmten Katzen nach, die an ihrer noch lebenden Beute knabberten. Als Nächstes ertönte ein Stoß aus einem Ton-Kazoo, und mein Nacom trat heraus und schritt in diesen orange-schwarzen Rattenkönig. Die Ozelots fuhren herum und wichen zurück, als überließen sie ihre Beute dem Anführer des Rudels, und der Nacom nahm das Seil des Gefangenen und führte ihn zu der Treppe. Vier Unsichtbare reihten sich dahinter ein, und die kleine Prozession begann den Aufstieg zu mir. Der Gesang wechselte in eine Art Fuge, die uns so vertraut war wie »Row, row, row your boat« einem amerikanischen Kindergartenkind, aber er hatte eine gespenstisch-erwartungsvolle Halbmelodie. Gut, darunter kann man sich vielleicht wenig vorstellen, aber Musik lässt sich ohnehin nur sehr schwer beschreiben. Nun waren auch Necker zu sehen, die schreiende Gefangene – andere Gefangene – irgendwohin trieben, wohin ich nicht blicken konnte. Die Schreie ließen mehr an eine öffentliche Verbrennung denken als an gemeinsames Singen. Gleichzeitig verliehen sie dem Gesang einen Abschluss, als bräuchte die Melodie den Unterton von Schmerz, um vollständig zu sein.



(59)
    Als der Nacom die untere Vorstufe des Allerheiligsten erreichte, trat ich zurück in den Schutz des Eingangs und stellte mich gleich hinter ein breites Kohlebecken. Die Diener führten den Jungen zu dem glatten Steintisch. Der Nacom beugte sich über ihn, reinigte erst den Jungen und dann sein langgriffiges Feuersteinmesser mit seiner Zigarre, schlitzte dem Jungen mit einer einzigen Bewegung den Bauch horizontal auf, nahm ein kleineres Messer, griff in die Öffnung und nach oben, arbeitete einen Augenblick lang in der Bauchhöhle und trennte das Herz von der Aorta und den Hohlvenen. Dann zog er den kleinen roten Muskel heraus. Ein Diener hielt eine Schale für ihn hoch. Der Nacom legte das Herz darauf, schnitt es der Länge nach auf, öffnete es wie ein Buch und las darin. Dann wandte er sich mir im Hintergrund der Bühne zu, ließ sich von einem Diener das Blut von den Armen wischen und machte das Zeichen, die Omen seien gut. Ich bedeutete ihm weiterzumachen, und der Diener eilte in meine Richtung und kippte das Herz ins Kohlebecken. Ich hörte zu, wie es zischelte, und atmete den wurstigen Rauch ein. Die verschiedenen Teile der Orchester in der Menge reagierten, spielten hohe Noten der Erleichterung auf einer langen, langsamen Melodie, während der Körper des Jungen die Stufen zu den heiligen Köchen hinunterrollte. Einer erledigt, dachte ich.
    Der Junge hatte sich wirklich gut gehalten und schien nicht einmal unter Drogen gestanden zu haben. Das warf ein gutes Licht auf die Schnupfer. Und auf mich wohl auch. Manchmal ist man froh, wenn man seinen Gefangenen zum Schreien bringt, zum Beispiel, wenn man ihn bloß demütigen will, aber meistens gab man sich damit zufrieden, wenn das Opfer seine Qualen wie ein Mann nahm, weil man zeigen wollte, was für ein harter Bursche man war, dass man so jemanden überhaupt gefangen nehmen konnte. Dieser Fall hier fiel mehr in die zweite Kategorie. Es kam auch vor, dass man seine Addierer

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