2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)
kultivierte Porphyr-Basalt-Säulen und Spitzkuppen aus schwarzer Jade mit opalenen Brandblasen, aus denen Karnallit auf Terrassen aus gelben Krokoitfliesen hinunterfloss, die in Bänder aus Eisenstein eingefasst waren.
Wir schoben uns auf eine Art Ufertreppe, und die unmenschlichen Paddler warfen mich aus dem Kanu auf die Stufen und prügelten mich mit ihren Paddeln, als wäre jeder von ihnen Charon höchstpersönlich. Meuten von Krankmachern, oder vielleicht sollten wir sie respektvoller als Xib’alb’aner bezeichnen, scharten sich um uns und drangen auf uns ein, hoben das Kanu und schüttelten es aus. Feuchte knorpelige Knochen und verzierte Reliquiengefäße regneten rings um mich herab, und die Taschen mit meinen Geschenken platzten auf und verschütteten Wolken aus Farbstoffen und Federzierrat und teure Rauchwaren. Die Xib’alb’aner griffen danach, doch es gelang mir, den kleinsten Beutel, der für Jaguar-Nacht bestimmt war, an mich zu reißen. Ich verbarg ihn unter der Haut meiner Lenden, während die Xib’alb’aner sich gierig die Zigarren anzündeten und mit einem einzigen riesigen Zug aufrauchten. Ich sah, wie Blutige-Klauen zu einem gewaltigen Ausatmen ansetzte, doch da schloss Pustel sein Maul über der rotzigen Nase von Blutige-Klauen und sog den Rauch in den eigenen Schlund. Fleischfleckiger Qualm pfiff aus den rußigen Löchern in seiner Brust. Krätze und Blutige-Zähne kämpften um ein Bündel aus sieben brennenden Zigarren und stachen mit ihren spitzen gespaltenen Zungen nach den Augen des jeweils anderen. Schließlich gelangte Blutige-Zähne in den Besitz des Bündels, aber Krätze packte seinen Arm, drückte Blutige-Zähnes Hand in einen Haufen verstreuter glühender Kohlen, steckte sich die rauchende Hand in den Mund, nahm einen gewaltigen Zug und furzte eine gigantische braungrüne Wolke aus Teer, Nikotin und brennendem Fett. Ich versuchte den Atem anzuhalten.
Pustel band einen riesigen schlaffen Knochenfuß an mein Bambusbein und stach mich, bis ich die Ufertreppe hinauf zum Osttor taumelte. Das Kreischen einer zerbrochenen Riesenflöte ertönte, unddie Xib’alb’aner stoben auseinander und verschwanden. Ich ging allein in den Graben eines Ballspielplatzes von der Größe der gesamten Außenwelt, mit steilen Dämmen, gehauen aus Mesas von wellengrüner Jade, durch die Adern aus Kupfersamterz und Olivin liefen. Während ich auf die Ehrenplattform von Ebene Sieben zuging, konzentrierte ich mich auf den Boden und versuchte, nicht den Magister Ludi anzublicken; deshalb sah ich die Tausende Ghule auf den Tribünen nicht, aber ich hörte ihr gackerndes Gelächter und spürte die Blicke ihrer Glotzaugen an den ausgeschobenen Sehnervstielen wie bei Schnecken. Ich stellte mich auf meine Markierung.
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Jaguar-Nacht, Ahau und K’alomte’ der neun Unterwasserwelten, fläzte sich im Hochsitz des Schiedsrichters, der aus den Rippen von Walhaien gefertigt war. Er war ganz klebrig vor Babyöl und überladen mit Hand- und Fußkettchen aus glänzenden menschlichen Augäpfeln; dazu trug er einen Gürtel aus abgetrennten Händen im ewigen Händedruck. Sein Umhang bestand aus Tausenden zusammengenähter Augenlider, deren Wimpern ein Kräuseln auf die Oberfläche malten wie auf einer dünnen Schicht langettierten Pelzes, und an seinem schleimig-glatten Gesicht hingen Barteln wie bei einem Katzenfisch. Aus seinen Handgelenken und seinem Stirngrat, seinen Knien und seinem Rücken ragten weiße Stücke bloßen porösen Knochens, und dicke runde Zecken und weiße Blutegel krochen über seine unregelmäßig geformten Scheinfüße und hinterließen einander kreuzende Schleimspuren. Blaue Pilze wuchsen in den Falten seines Schritts. Er war krank und verwest und litt offensichtlich Schmerzen, doch in seinem Fall vergrößerte sein Zustand nur seine Kraft. Er lebte aus der Stärke seiner eigenen Krankheiten, so wie ein Seeigel die Milben auf seiner Haut verdaut. Schöne kleine Mädchen und Jungen krochen auf ihm herum, salbten ihn, kratzten und leckten seine Pusteln. Sie waren keine Xib’alb’aner. Soweit ich sagen konnte, waren es lebende Menschenkinder aus den Mittelwelten. Vielleicht stahlen die Xib’alb’aner sie hier und da. Oder sie hatten vor langer Zeit welche gefangen genommen und züchteten sie nun. Von einigen Jungen und Mädchen lagen nur noch benagte Stücke auf großen Tellern. Ein riesiger, fetter haarloser Hund rollte sich mit breitem Grinsen auf dem Boden und kaute auf einem Kinderohr.
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