2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)
nicht, was im Trailer behauptet wurde. Ein paar jedoch, die sich mit den esoterischeren Aspekten der Maya-Zivilisation auskannten und denen Gerüchte über die kleinen Details der Zeitprojektion und des Bewusstseinstransfers zugespielt worden waren, hielten ihn für wahrheitsgemäß. Diese Debatte erhöhte natürlich nur den Bekanntheitsgrad des Clips. Achtundvierzig Stunden, nachdem wir ihn ins Netz gestellt hatten, war er über fünf Millionen mal von »unterscheidbaren Besuchern in voller Länge angeschaut« worden. Unsere Angelschnur tauchte ins Wasser.
Lindsay Warren allerdings war stinksauer deswegen. Marenas sechseinviertelminütiger Trailer – ein Trailer , man stelle sich vor – hatte dreiundvierzig Millionen nicht dafür freigegebene Warren-Dollars gekostet. 1,2 Millionen davon waren für einen neunundachtzig Sekunden langen Auftritt von January Jones draufgegangen. Die sich übrigens als ziemlich nett erwies. Vor allem aber war Marenas Projekt dem weitaus teureren, aber einnahmeträchtigeren 3-D-Film zuvorgekommen, an dem Warren Studios schon seit Monaten arbeitete und der im Juni 2013 in die Kinos hätte kommen sollen, mitsamt Videospielen, Büchern zum Film und diversen anderen Medienablegern – vorausgesetzt natürlich, die Welt existierte nach dem 21.12.2012 noch. Außerdem, und das wog sogar noch schwerer, hatte Marena proprietäre Informationen der Warren Group preisgegeben. Zum Beispiel kamen nun Einzelheiten von Warrens geheimen Humanexperimenten für das BTP an die Öffentlichkeit, die den Konzern in ein, gelinde gesagt, schlechtes Licht rücken würden. Ein anderes Beispiel war der Hippogriff-Zwischenfall, bei dem ein guatemaltekischer Kampfhubschrauber abgeschossen worden war, als das Team von den Ix Ruinas zurückkehrte. Diese und andere Enthüllungen würden Warren eine Lawine von Zivilklagen und wahrscheinlich auch strafrechtliche Ermittlungen einbringen. Und als wäre das noch nicht genug, hatte der Film gewisse Details des Opferspiels offenbart – das vom Standpunkt der Warren Group gesehen vollständig ihr gehörte und eine Investition von mehreren Milliarden Dollar darstellte.
Obwohl Marena und Taro darauf beharrten, dass die Freigabevon Chrononaut unerlässlich gewesen sei, um das Universum vor dem Verschwinden zu bewahren, schien Lindsay Warren diese Auffassung nicht zu teilen, seinem grundsätzlichen Vertrauen in die Wirkungskraft des Opferspiels zum Trotz. Entweder glaubte er nach wie vor, Madison Czerwick wäre der einzige Doomster, wie es im Codex Norenbergae »vorhergesagt« wurde, oder
Warum ich es getan habe
hatte ihn nicht überzeugt. Oder es lag daran, dass er Mormone war und nicht von seiner mormonischen Kosmologie abrücken konnte. Möglicherweise vertraute Lindsay auch darauf, dass seine eigene Fahndungsabteilung – die als HR , Human Resources oder »Personalabteilung« bezeichnet wurde – Jed 1 finden konnte, ohne dass er durch den Film aus seinem Versteck gelockt werden musste.
Wie auch immer, Marena kündigte bei Warren. Ana musste ihre Stellung bei Executive Solutions aufgeben und sich direkt bei mir und Marena anstellen lassen (die alles aus eigener Tasche bezahlte, da ich keinen Zugriff auf Jed 1 ’ Konten habe). Ich war noch immer durch meinen Vertrag an Warren gebunden (stand nun aber natürlich unter strenger Beobachtung durch HR , und ebenso Marena und alle anderen Teammitglieder). Den Quellen zufolge, die Marena innerhalb der Warren Group noch immer besaß, hatten die Ereignisse den Aufsichtsrat von Warren gegen Lindsay aufgebracht, der zugunsten von Laurence Boyle langsam aus der Firma gedrängt werden sollte.
An den nächsten beiden Tagen arbeitete Marena mit mir an einer Reihe von Posts auf meiner Website, die Jed 1 zu dem Schluss bringen sollten, dass ich mit einer noch wirksameren Näherung im immer mächtigeren Opferspiel aus der Vergangenheit zurückgekehrt sei. Jed 1 sollte Angst bekommen, diese Erkenntnisse könnten mich in die Lage versetzen, seine Pläne zunichtezumachen. Aber selbst wenn er sich deswegen nicht so viele graue Haare wachsen ließ, wie wir hofften, würde er auf jeden Fall wissen wollen, was während des Menschenspiels geschah. Er musste sich verzweifelt wünschen, das Menschenspiel zu erlernen, auch wenn er wusste, dass er verschwinden würde, ehe er sein Wissen anwenden konnte. Das Spiel war das zentrale Rätsel seines Lebens – oder sagen wir lieber, unseres Lebens –, und ganz gleich, welche Veränderungen sein
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