2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)
Grandeza-Spiel ausführe, nehme ich einfach sechzehn neue Ziffern aus einem Zufallsgenerator und stelle darauf um.«
»Was ist ein Grandeza-Spiel?«, fragte Ana.
»Tja, wissen Sie, ein Grandeza...« Hölle, dachte ich. Ich fühlte mich verletzt, dass sie mich derart vernahm. Ziemlich heftig sogar. Du verdienst es nicht anders, Jed. Kooperiere, verdammte Scheiße. Ich setzte noch einmal an. »Grandeza ist ein Wort für einen Beutel mit Körnern und Steinen. Jeder Maya-Sonnenaddierer hat so etwas. Wir benutzen ihn, um die Sonnen auszulegen … Sie wissen schon, wie beim Kartenlegen. Es ist eine Art abgekürzte Version des Opferspiels. Ich führe es aber auf einem kompletten Spielbrett durch, jeden Sonntag um Mitternacht. Es gibt mir einen Überblick über die kommende Woche.«
»Wieso am Sonntag? Gehen Sie nicht nach einem Maya-Kalender vor oder so was?«
»Na ja, man könnte es natürlich jederzeit machen, es ist bloß eine katholische Gewohnheit. Meine Mutter empfing vor dem Grandeza-Spiel immer Fragende, weil die Bauern am Samstagabend lange aufblieben. Es war so etwas wie eine Mitternachtsmesse.«
»Okay.«
»Sobald der Sonntag anbricht, kümmere ich mich immer um den ganzen Zahlenkram, Investitionen, Passwörter, bevorstehende Termine, so was alles. Und meine Klienten wollen Lotteriezahlen wissen.«
»Verstehe.«
»Auf jeden Fall verrät es Ihnen, wann die letzte Kombination erstellt wurde. Es hat nichts mit der Kombination selbst zu tun.«
»Alles klar, wir kümmern uns darum.«
Darauf wette ich, dachte ich. Und ich wette, weniger mit Logik und mehr mit einem Acetylenschneidbrenner. Ich hoffte nur, sie schickten den Safe nicht nach Quantico oder an einen anderen gottverlassenen Ort, wo er noch die Aufmerksamkeit der politisch motivierten Gangster erregte.
»Sind Sie sicher, dass es keinen anderen Safe gibt?«, fragte Ana.
»Ganz sicher.«
»Keine anderen Verstecke?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Was ist mit Ihren vielen Bankschließfächern?«
»Ich bin mir sicher, dass er die Kombinationen geändert hat.« Komm schon, dachte ich, fünf ist nicht »viele«. Fünf ist noch immer eine nichtparanoide Anzahl. »Es sei denn, er hatte nicht genügend Zeit, nach Vegas zu fahren und sich bei der Bank of Nevada darum zu kümmern.«
»Bill ist schon unterwegs, um es sich anzusehen«, sagte Ana. Ich hatte nie von Bill gehört, aber ich glaubte auch nicht, dass er noch eine große Rolle spielen würde.
»Prima«, sagte ich. Und vergesst nicht, meine Unterwäsche bei eBay einzustellen, dachte ich.
»He, seht euch das an«, sagte ein anderer Techniker; ich glaube, er hieß Chet Nguen. Er rief uns über meinen alten Schreibtisch zu, auf dem ein neuer Samsung-Laptop stand. Natürlich waren keine vertraulichen Dateien auf seinem SSD – die lagen alle im Safe –, aber er enthielt die Namen einiger jüngst veränderter Dateien, und die letzte bearbeitete Datei hatte sich automatisch nach der ersten erkennbaren Phrase ihres Inhalts benannt. Während der letzten fünf Minuten hatte Chet den Dateinamen entschlüsselt. Er klang ein wenig unheilverkündend:
Warum ich es getan habe.
(86)
Marena zog wieder ein Team à la Mission Impossible zusammen – sich, mich, Taro, Ashley 2 , Dr. Lisuarte, Grgur, Hernán und Ana Vergara. Unser Hauptziel bestand natürlich darin, Jed 1 aufzuspüren, festzunehmen und zur Domino-Kaskade auszuquetschen. Gleichzeitig wollten wir versuchen, die Kaskade zu identifizieren und sie direkt umzulenken. Bislang hatten wir allerdings noch keinen einzigen »Dominostein« identifiziert. Ich vermutete, dass alle Teammitglieder außer mir noch eine dritte Direktive hatten: mich nicht aus den Augen zu lassen – also mich, Jed 3 . Nach wie vor sorgte sich Marena, ich könnte die gleiche Entscheidung wie Jed 1 treffen – sogar ohne Überdosis Tzam lic –, »und dann würden zwei opferspielkundige mordlustige Irre herumlaufen«. Je mehr ich darüber nachdachte, desto klarer wurde mir, dass es keine Rolle spielte, welche Gefühle Marena mir entgegenbrachte; dem Konzern wäre es völlig egal. Sobald ich geliefert hätte – die ganze Geschichte, das Spiel und Jed 1 , in aufsteigender Reihenfolge der Wichtigkeit –, würde Warren mich für die Säuberung vorsehen. Dennoch, fürs Erste machte ich bei allem mit.
Jed 1 konnte überall auf der Welt sein, einschließlich Antarktika, Indiana, Peru oder sogar Peru, Indiana. Allerdings hatten wir einen Hinweis. Jed 1 wäre froh, dass beim Ende
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