2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)
verhindern, dass ihr Inhalt in den Suchmaschinen auftauchte. Angeblich unterhielt die NSA eine eigene Abteilung, die rund um die Uhr andauernd in die Site einbrach.
»Okay«, sagte ich. »HarpoCrazy.« Er legte auf.
»Was machst du da für eine Scheiße? «, fuhr Marena mich an. »Du solltest ihn am Apparat halten! «
»Er hat gerade einen Fehler begangen«, erwiderte ich.
»Welchen?«
»Ohne es zu bemerken, hat er uns gerade gesagt, wo er ist.«
»Wie bitte?«
»Oder vielleicht, weil er nicht daran dachte. Er ist auf den Post über Kristen Stewart gestoßen. Aber er hat nicht danach gesucht. Also muss er das Spiel gespielt und den Post einfach so gefunden habe. Ich meine damit das wöchentliche Grandeza-Spiel.«
»Okay, aber was verrät dir das?«
»Er macht das direkt nach der Mitternachtsmesse. Das heißt, sie haben da schon Sonntag.«
»Wo er ist.«
»Genau.«
»Wir haben erst Samstagmorgen.«
»Richtig. Also, was heißt das? Wo ist er dann?«
Sie überlegte eine halbe Sekunde. »Es ist da superfrüh? Dann ist er im Pazifik. Nahe der Internationalen Datumsgrenze.«
»Genau. Hier haben wir Koordinierte Weltzeit minus fünf Stunden. Aber wo er ist, hat er plus zwölf.«
»Also ist es eine Insel. Hat es irgendwas mit Nacktkiemern zu tun?«
»Ja. Dort ist eine neue Spezies entdeckt worden, eine ganz große Sache. Es ist im Dezember im JMS erschienen, dem Journal of Malacological Studies . Ich glaube, es war die Dezember-Ausgabe, aber erschienen ist sie im Oktober. Mexichroma zenobia . Das ist eine Spezies möglicherweise eusozialer Kiemer, Nacktkiemer …«
»Ja, toll. Also, wo ist er?« Ihr Daumen schwebte nervös über der Anrufen-Taste ihres Netphones.
»Rate mal.«
»Komm schon, jetzt lass mir die Eierstöcke nicht platzen vor Spannung! Wo wo wo wo wo wo?«
»Woher kommt denn Zenobia?«
(89)
Ruft man »Palmyra Atoll« bei Google Earth auf, sieht man zunächst gar nichts. Erst wenn man heranzoomt, erkennt man zwei winzige, miteinander verbundene Inseln, die einen anblicken wie eine weiße Dominomaske. Wären wir auf kommerzielle Reisemöglichkeiten angewiesen, hätten wir einundachtzig Stunden gebraucht, um die 6750 Meilen dorthin zurückzulegen. Doch mit der Information, sie habe Jed 1 lokalisiert, hatte Marena bei Lindsay und Boyle die Wogen geglättet und sie bewegen können, uns eine Gulfstream mit drei Mann Besatzung zur Verfügung zu stellen. Die Maschine brachte uns in fünf Stunden von Orlando nach Twentynine Palms, wo wir in eine von der Air Force ausgemusterte C-17 Globemaster im Besitz der Warren Group umstiegen und in elf Stunden nach Wheeler Base in Wahiawa mitten auf Oahu flogen. Von da aus waren es nur noch fünfeinhalb Stunden bis Kiribati. Nach Palmyra fuhren wir mit einem Rennboot; wir trafen uns dort kurz vor Sonnenuntergang mit Anas Leuten, die auf einem Stealth-Boot namens Gotengo auf uns warteten.
Wie ich Marena ein wenig atemlos erklärt hatte, konnte Jed 1 den versteckten Post über Kristen Stewart nur mithilfe des Grandeza-Spiels gefunden haben. Dieses Spiel führte er immer sonntags kurz nach Mitternacht durch. Mitternacht war in diesem Moment nur auf den Linieninseln, die sich fast genau auf der internationalen Datumsgrenze befinden. Und der interessanteste Punkt der Linieninseln war das Palmyra-Atoll, weil dort die neuentdeckten, möglicherweise eusozialen Nacktkiemer lebten. Doch wenn man es so darlegt, wirkt es plötzlich gar nicht mehr so sehr wie von Zauberhand.
Die Gotengo lag tief und dennoch unruhig im Wasser, was vermutlich daran lag, dass sie zu diesen neuartigen ortungsgeschützten Booten gehörte, die ganz aus Kevlar und Kohlefaser bestanden. Sie war dreizehn Meter hoch, was für einen Rifftaucher wie mich normalerweise sehr viel war. Aber das meiste davon lag unter Wasserlinie, und wir acht – außer mir waren es Marena, Ana und fünf männliche Sicherheitsfachkräfte (oder seien wir ehrlich und nennen sie Söldner) – stießen dauernd gegeneinander, als wir auf dem wenig großzügigen Deck hockten. Eigentlich war Gotengo gar nicht der Name des Bootes; es hatte überhaupt keinen Namen, nur eine Registriernummer und eine zwei Terabyte große Spezifikations-Disk, die einem alles darüber verriet, wie sie von VT Halmatic gebaut und auf neunzig Knoten getestet worden war – was eine gewaltige Geschwindigkeit ist. Wir würden aber keine Rennen fahren.
»Sie reden über den Sturm«, sagte Megalon. Natürlich war »Megalon« nicht sein richtiger
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