2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)
ich.
Lindsay trug ein graues sommerliches Jackett, und ich suchte den Bug Bom mit den beiden Punkten – den grauen – aus Marenas Handtasche. Die Farbe passte nicht sonderlich, aber sie musste reichen. Ich wollte direkt zu ihm gehen, doch Marena sagte, es sehe ganz so aus, als würde er die Leute gleich wegschicken.
»Okay, warten wir noch einen Schlag«, sagte ich und verspeiste ein Schokostäbchen.
Die beiden hinter Warren erkannte ich sofort als Leibwächter. Einen hatte ich noch nie gesehen, ein großer klassischer Bodyguard-Typ im schwarzen Anzug und mit Ohrstöpsel. Die andere war das Kommando-Weib aus dem Innern der Erde, Ana Vergara. Sie trug Leggings und einen eng anliegenden schwarzen Huipil und wirkte beinahe attraktiv, wenn man bedachte, dass sie eine bezahlte Vollstreckerin war. Noch hatte sie mich nicht entdeckt, aber es konnte nicht mehr lange dauern.
»Wussten Sie, dass die Polizei nach Ihnen sucht?«, fragte Michael.
»Ja, sicher«, erwiderte ich. »Aber wir sind den Bullen immer einen Schritt voraus.«
Die Investorenmeute lachte – war das der komische Teil?, fragte ich mich –, nickte und wandte sich dem Ausgang zu, der aufs Spielfeld führte. Andere warteten, um mit dem großen Mann reden zu können, doch Marena schob sich durch sie hindurch und tippte Warren auf dieSchulter. Er schien sich aufrichtig zu freuen, sie wiederzusehen, was natürlich nicht der Fall war. Sie sagte etwas zu ihm – ich hoffte, es war das, was ich ihr aufgetragen hatte –, und er drehte sich nach links. Ana hatte mich mittlerweile gesichtet, aber sie erwartete von mir, dass ich blieb, wo ich war, damit Lindsay sich mir zuwenden konnte; deshalb bekam ich gerade genug Zeit, um mich auf seine rechte Seite zu stellen und ihm auf den Rücken zu klopfen. Durch das Kaschmir mit der Seidenpaspelierung spürte ich, dass er bemerkenswert harte Trapezmuskeln hatte. »Sei gegrüßt, Mann, so ein Zufall«, sagte ich.
Lindsay drehte sich weiter. Bislang hatte er die Wanze nicht gespürt; sie hielt nur durch Klett-Effekt. Als er mich erkannte, war er sehr beherrscht. Er verzog keine Miene, sagte aber auch nicht Hallo. Er stand nur vor mir und wartete anscheinend völlig entspannt, dass sich Ana und der andere um mich kümmerten. Sein Blick verkündete, dass er ein großer Hecht sei und ich ein kleiner Fisch und dass niemand großen Hechten etwas anhaben könne. Er trug eine Reversnadel mit einer amerikanischen Flagge und eine hübschere Nadel mit einer Hummel, die mit gelben Saphiren besetzt war.
»Keine Bewegung, Chef«, sagte Ana. Sie hatte die Wanze entdeckt. Ich drückte den Knopf in meiner Tasche, der ihre kleinen hakenbesetzten Beine aktivierte. Lindsay spürte, wie sie sich durch sein Jackett und in sein Fleisch gruben, und zuckte leicht zusammen.
»Autsch«, sagte er und drehte den Arm nach hinten, doch die Wanze hatte sich punktgenau in seine Acnestis gesetzt, die Stelle im Kreuz, wo sich nur sehr wenige Menschen kratzen können.
» KEINE BEWEGUNG !«, sagte ich, ein mehr oder weniger genaues Zitat aus dem Handbuch des SBS .
Er bewegte sich nicht.
(110)
Ana und der andere Kerl hielten mich bereits gepackt, doch ich hatte meine Hände in den Taschen und fuhr fort: »Ich habe einen Sprengkörper namens Bug Bom an Ihrem Rücken angebracht. Wie Sie vielleicht wissen, führt jeder Versuch, sie zu entfernen, automatisch zu einer Explosion, bei der Nervengift in Ihren Körper geschossen wird.«
»Auf den Boden – sofort!«, befahl Ana.
»Im Augenblick halte ich den Totmannschalter gedrückt«, sagte ich. Sie hatten mich bereits auf den Travertinboden gerissen. »Wenn ich in den Kopf geschossen werde, wenn ich stolpere oder falle, wenn mir irgendetwas geschieht, wird mein Daumen den Knopf freigeben. Und auch, WENN IHR MICH NICHT SOFORT LOSLASST!«
Ich versetzte Lindsay einen freundschaftlichen kleinen Stromstoß. Er keuchte auf und zuckte, aber nicht so stark, wie ich erwartet hätte.
»Marena, was tut er?«, fragte Lindsay.
»Ich fürchte, es ist sein Ernst«, sagte Marena.
Sie ließen mich noch immer nicht aufstehen. Andererseits versuchten sie nicht mehr, mir die Hände aus den Taschen zu reißen. Vielleicht gab es eine Vorschrift, wie man mit solchen Situationen umging.
»Lasst mich hoch«, verlangte ich, doch sie gehorchten nicht. »Na schön, dann seht euch das an«, sagte ich. »Michael?«
»Was ist?«, fragte Michael.
Marena begriff, was geschah, doch bis sie an Michaels Rücken war, hatte
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