2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)
in der rechten Hand zu einem Topflappen. »Also, Herb, machen Sie mir keine Schwierigkeiten. Wir tun es genau so, wie ich es sage, ja?«
Ich stand vor dem Gasgrill. Er hatte zwei große eiserne Roste; auf dem rechten brutzelten Hackfleischscheiben. Der linke wirkte nicht besonders heiß, deshalb wischte ich die Hamburger beiseite und versuchte, den Eisenrost hochzuheben. Er war zu schwer; man brauchte dazu beide Hände. Ich faltete einen zweiten Papiertopflappen, kauerte mich hin und schob den Rost nach oben. Ich richtete mich wieder auf und musterte die Schicht aus Vulkansteinen auf den Heizelementen. Je größer, desto besser. Ich packte den größten Lavastein, den ich sah, mit der linken Hand. Die Servietten qualmten, aber sie fingen nicht Feuer. Ich drückte die glattere Seite des Steins gegen die Wunde an meiner Stirn. Dieser Schmerz war von einer anderen Qualität, vergleichbar einem Tauchbad in Flüssigstickstoff. Leichter aushalten ließ er sich dadurch allerdings nicht. Mein Körper wusste, dass er fliehen musste. Der Impuls war so stark, dass ich dachte, ich würde in zwei Teile zerrissen, als wäre ich zwischen zwei Autos festgebunden, die mit Vollgas in verschiedene Richtungen losfuhren. Ich hörte, wie meine Stirn zischte, als wäre sie aus kanadischem Speck. Wieder brüllte ich auf, und ich glaube, diesmal war es lauter.
»Sir? Sin’ Sie verletzt?«
Nein, dachte ich, alles prima, merkst du das denn nicht? Ich drehte mich zu ihm um. Ich konnte nur ein kleines Stück von ihm sehen, bloß sein Gesicht und die Mütze, als würde ich verkehrt herum durch ein Fernglas blicken. Ich schob mich an ihm vorbei und taumelte zum Seitenausgang neben dem Drive-in-Fenster. Herb war von einem grauen, wabernden Etwas umgeben und verströmte einen Geruch, der nicht da sein sollte. Oh – Haar, dachte ich. Richtig. Das Haar über meiner Stirn, so kurz es auch war, stand in Flammen. Offenbar war Fett darauf gespritzt, und der Stein hatte es in Brand gesetzt. Kein Problem. Ich schlug drauf, und es ging aus – glaube ich. Erneut brandeten dieSchmerzen auf, und ich brüllte wieder. Holla. Okay. Jetzt ist es raus. Verdammt, dachte ich, ich bin ein guter Burger.
Ich blickte über die Theke zum Essbereich und rechnete schon damit, dass Grgur zur Tür hereingewalzt kam. Er war nicht da. Genauso wenig wie andere neue Gäste. ES hatte offenbar Schwierigkeiten. Na ja, dachte ich, einem geschenkten Gaul fickt man nicht ins Maul, et cetera . Okay. Wie ich früher mal von No Way gelernt hatte, waren Drive-ins des Flüchtlings bester Freund.
Suchen wir uns ein schönes Auto.
Seitentür. AUSGAN G. Genau.
Schritt, Schritt …
Hoppla. Wer bist du denn?
Ein Kerl – wahrscheinlich der Filialleiter vom Dienst, den der Panikknopf endlich herbeigerufen hatte – war von irgendwo weiter hinten hereingekommen und verstellte mir den Weg. Er war groß und blond, um die dreißig und leicht übergewichtig, was für seinen Job wahrscheinlich unerlässlich war. Ich bemerkte, dass ich noch immer den Lavastein in der Hand hielt. Der Filialleiter sagte irgendetwas, ich müsse bleiben, wo ich sei, und auf das Eintreffen der Polizei warten.
»Ich danke Ihnen, Sir«, sagte ich, hielt dabei seinen Blick fest und drückte ihm den Stein gegen den Schmerbauch. Es zischte. Er stieß einen hohen, schrillen Schrei aus, lauter als die Schreie, die ich selbst produziert hatte, und zuckte zurück, aber sein rechter Arm pfiff – reflexhaft, nehme ich an – in einem halbherzigen wilden Schwinger zu mir herum. Ich kauerte mich darunter weg – der Schlag kam nicht schnell genug, als dass ich behaupten könnte, ich hätte mich geduckt – und schob mich um ihn herum. An der vom Ordnungsamt vorgeschriebenen Stelle hing eine Taschenlampe mit drei AAA -Batterien neben dem Erste-Hilfe-Kasten. Ich nahm sie mit, als ich den Küchenbereich verließ. Verdammt, wenn ich gewusst hätte, dass es einen solchen Schmerz gibt, wäre ich zurück in den Mutterschoß gekrochen und hätte die nächsten achtzig Jahre dort verbracht. Aber immerhin ließ er mich die Kälte vergessen.
»Sir, bitte, entschul’igen Sie …«, sagte Herb irgendwo hinter mir.Ich schaute mich um. Mein Sichtfeld hatte sich ein wenig geweitet, und ich sah ihn noch immer neben dem Grill.
»Sie waren großartig, Herb«, sagte ich und ging hinaus. Die Gäste hoben den Kopf und beobachteten, wie ich verschwand, aber nur einer oder zwei hielten beim Kauen inne.
(14)
Der Wagen am Kopf der
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