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2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)

2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)

Titel: 2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian D'Amato
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regten sich kaum. Auf beiden Seiten lief ein Trupp Wächter mit. In der Luft lag ein kräftiger Geruch nach Monarde – eine Art Rossminze, die höhergestellte Diener zermahlten und um ihre Herren herum ausstreuten –, der den entsetzlichen Gestank aber nicht zu überdecken vermochte; darunter lag ein Hauch dessen, was die Leute als »Atem von Kohs geheimstem Uay« bezeichneten und was moderne Menschen ihren Markengeruch genannt hätten. Als ich ihn zum ersten Mal wahrnahm, hatte ich ihn mir als das Gegenteil des Geruchs nach Zimt beschrieben; jetzt, nachdem Jahre vergangen zu sein schienen, hatte ich noch immer keine bessere Beschreibung. Ich wusste nun aber, dass der Hauptbestandteil aus einer Blume enfleuragiert wurde, die zur Gattung Brassia gehörte – jene Orchideensorte, die Spinnen nachahmt und deren Geruch kennzeichnend war für Koh und ihre engsten Vertrauten.
    Jeder von Kohs Gardisten kannte Hun Xoc; trotzdem dauerte es lange, bis er ihre Kreise durchdrungen hatte, und ich wurde bereits ein bisschen sauer, als mein Träger mich schließlich am Rande der Plattform absetzte. Sie neigte sich ein wenig, während sie sich bewegte, und erinnerte auf angenehme Weise an ein Boot. Koh saß im türkisfarbenen Zentrum eines aus Federn geflochtenen Opferspielbretts von zwei Armlängen im Geviert. Ihre Augen waren geschlossen, und sieredete in irgendeiner Tiersprache mit einem ihrer Uayob’. Um sie her saßen acht Angehörige des popol na  – des Mattenhauses, das heißt, des Rates. Sie grüßten mich und redeten dann weiter miteinander. Alle trugen teure Kleidung; trotzdem war es ein ziemlich zusammengewürfelter Haufen. Der Jüngste von ihnen, 14-Verwundeter, war acht Tuns älter als ich, also ein bisschen weniger als acht Sonnenjahre. Er war der Handelsvertreter in Teotihuacán für meine Adoptivsippe gewesen, die Harpyienadler oder kurz Harpyien, die reichste Familie von Ix nächst der herrschenden Ozelot-Sippe. Vielleicht waren die Harpyien mittlerweile schon reicher, denn die Ozelots hatten gewaltige Schulden, nur dass es hier schwieriger war, den Dingen einen Wert zuzuweisen, als im 21. Jahrhundert. Ach ja, und einer hier war doch jünger als ich: Kohs Verwalter der Unsichtbaren Dinge. Sein Titel bedeutete, dass er so etwas wie ein juristischer Berater war. Er hieß Coati, das ist ein Nasenbär. In Teotihuacán hatte ich ihn kaum zu Gesicht bekommen, aber jetzt hockte er ständig in Kohs Nähe.
    Bei der Gruppe hatte es sich zunächst um eine sporadisch zusammentreffende Gesprächsrunde der Ahaus der wichtigsten Großen Häuser gehandelt; mittlerweile war eine Regierung daraus entstanden. Die anderen sieben Leute auf der Plattform waren Leibdiener. Sie fächelten uns Luft zu und verjagten die Schmeißfliegen. Keiner von ihnen schaute Koh auch nur eine Sekunde an. Wenn ein normaler Mensch ihr Gesicht erblickte, traf ihn am Ende noch der Blitz und verbrannte ihn.
    Hun Xoc schob sich neben mich und kauerte sich nieder. Ich kniete am Rand des Spieltuchs, auf dem Kiesel aus Jade und Quarzit lagen. Nach kurzem Hinsehen ging mir auf, dass Koh die Matte als Lagekarte benutzte. Eine lange Reihe türkiser Steine, die sich diagonal vom Zentrum des weißen Quadranten zur oberen Ecke des schwarzen zog, stellte unsere Karawane dar. Die Ansammlungen von Rosenquarzen, die ihr von Norden entgegenzogen, waren das Heer von Abgetrennte Rechte Hand. Für mich sah es aus, als wären sie farbcodiert wie die Steine in einem alten Kriegsspiel; je hypothetischer ihre Position war, desto dunkler erschienen sie. Darüber hinaus durchschaute ich nicht, was Koh dort tat. Ich sah eine wenigstensgenauso große Zahl anderer Steine, vor allem schwarze und gelbe, die in anderen Bereichen des Bretts verteilt lagen. Sie hatten mehr mit Zeit als mit Raum zu tun; mehr war mir darüber nicht bekannt. Nach allem, was ich wusste, lagen sie nur da, um die anderen Ratsmitglieder zu verwirren.
    Wenn ich mit meiner Vermutung richtiglag, ging Kohs Plan auf. Die Ratsmitglieder waren allesamt eiskalte Killer und Patriarchen, deren Wort Gesetz war, aber jetzt saßen sie alle geduldig wartend vor ihr, sprachen gedämpft miteinander und warfen besorgte Blicke auf Koh. Entweder glaubten sie tatsächlich, dass Koh die Befehle einer höheren Macht ausführte, oder sie sagten sich, dass es besser sei, Koh nicht infrage zu stellen, weil so viele andere an sie glaubten.
    Wenn ich …
    Autsch! Verdammt. Einer der Fliegenverscheucher hatte mir ein Haar ins Auge

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