2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)
gewischt. Ich starrte ihn wütend an. Er bebte vor Angst, und ich fühlte mich ein bisschen schuldig, kam aber darüber hinweg. Ich sah Koh an. Sie bewegte zwei schwarze Steine. Sie war so gelassen, als wäre sie allein.
Wenn ich nur mehr von Taktik verstehen würde als eine Novizin im Kloster , dachte ich. Na ja, unsere Novizin hatte diese Katzen auf jeden Fall überzeugt, dass sie mehr wusste als sie. Erst vor zwei Uinalob’ – »vor zwei kurzen Uinalob’«, hätte ich gesagt, wären sie mir nicht länger vorgekommen als Pythonköttel – war Koh nur eine der vielversprechenderen Jungmitglieder der Seidenweberinnengemeinschaft gewesen, einer elitären Gruppe epicöner Anbeterinnen des Sternrasslers, hochrangige Sonnenaddiererinnen, die normalerweise Männerkleidung trugen, damit sie im männlichen Raum agieren konnten. Im Moment allerdings trug Koh männliche und weibliche Kleidungsstücke. Soweit ich wusste, war das ihre eigene Idee. Sie wurde zu allem für jeden.
Geez Belize, dachte ich, ich habe ein Monstrum erschaffen. Schließlich hatte ich das Mädel in den Sattel gehoben. Ich hatte mich an sie gewandt, weil sie im Codex Norenbergae abgebildet war. Doch der Codex würde erst viel später geschrieben werden, im 12. Jahrhundert, und aus ihm ging nicht eindeutig hervor, ob Koh noch gelebt hatte, nachdem sie so bedeutsam geworden war. Ihr konnte es ergehen wieBruder Jesus, und sie wäre bereits hundert Jahre tot, wenn das Geschäft so richtig in Schwung kam. Und falls sie zur Märtyrerin wurde, würde sie mich höchstwahrscheinlich mitnehmen. Aber keine Bange. Ich war ihr noch immer nützlich. Oder? Ich meine, ich wusste Dinge, die sonst niemand hier wusste, nicht einmal Koh selbst. Ich konnte ihr sogar Schießpulver mischen, wenn sie es wünschte, aber ich wollte natürlich möglichst wenig Aufmerksamkeit auf mich ziehen. Am Ende würde noch jemand behaupten, ich wäre ein gefährlicher Räudewirker – eine Art Hexenmeister –, und dann würde jedes ehrgeizige Geblüt alles daransetzen, mir den Garaus zu machen.
Das Gemurmel verstummte. Frau Koh hob den Blick. Sie sah mir in die Augen, und ohne auch nur einen Muskel im Gesicht zu verziehen, gelang es ihr, mir zuzulächeln.
(19)
Danach nahm Frau Koh nacheinander mit jedem Angehörigen des Rates Blickkontakt auf. Statt zu sprechen, hielt sie die Hände über den Falten ihrer Manta und benutzte die ixianische Jagdsprache. Immer wieder fiel ein Name, der sich in dieser Sprache nicht übertragen ließ, und dann fügte sie eine oder zwei Silben als Ergänzung hinzu. »Er wird uns vorausmarschieren, wenigstens bis zum Altwasser«, signalisierte sie. »Dann wird er zurückmarschieren und bei Dämmerung auf Westwind warten.« Sie illustrierte das Manöver, indem sie den größten und hellsten Rosenquarz an eine Stelle südöstlich unserer Position und dann parallel zu uns zurück bewegte. Die Idee war, dass Abgetrennte Rechte Hand uns angreifen wollte, wenn er die aufgehende Sonne im Rücken seiner Leute und den Wind von vorn hatte, sodass wir ihn nicht riechen konnten. Es klang einleuchtend. »Also müssen wir iik und Kohle bereithalten.« Das bedeutete, im Fall des Angriffs würden wir Körbe voll brennender Chilischoten zur Windseite tragen, um den Feind mit dem Rauch zu blenden.
»Rauch ist etwas für zum ersten Mal menstruierende zweitgeborene Töchter aus Nicht-Großhäusern«, sagte 14-Verwundeter. Die Anmerkung ist zwar überflüssig, aber in Maya klang es besser. Er meinte damit, dass er Rauchvorhänge für eine feige Taktik halte.
Schweigen. Feige ist gut, dachte ich, aber ich wollte mich jetzt nicht verteidigen, daher ging ich einfach weiter. Biete ein gutes Beispiel, sagte ich mir. Ruhig, klaglos, schmerzunempfindlich, stoisch … Autsch! Ein Stöckchen in meiner linken Sandale. Verdammt. Warum ich? Au, au, au, au. Ich schüttelte es raus. Okay. Der Weg führte durch ein ausgetrocknetes Flussbett, und die Plattform schwankte wie ein Düsenjet in einem Luftloch. Man hörte Tausende schwieliger und / oder Sandalen tragender Füße über den Kies scharren.
Schließlich hob Coati eine Hand. Daumen, Zeige- und Mittelfinger berührten einander. Es hieß: So unbedeutend ich bin, darf ich sprechen? Die Angehörigen des Popols schnalzten bejahend mit den Zungen.
Sie blickten Koh an. Koh signalisierte ein Ja.
»Alle Groß-Bünde scheitern an Darmparasiten, nicht an Räubern«, sagte Coati. Der Ausspruch war wohlbekannt und stammte aus einem alten
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