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2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)

2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)

Titel: 2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian D'Amato
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einem Wachspfropfen verschlossen. Sie stellte den Krug neben einen Wassertopf, wartete eine Zeit lang, nahm dann einen langen dünnen Krähenfederkiel hervor und drückte ihn in eine der Wachsperlen, bis er sie durchdrang und in den Inhalt des Kruges tauchte. Sie befahl mir, den Atem anzuhalten, und zog den Kiel wieder heraus. An seiner Spitze klebte ein wenig gelber Staub. Sie ließ den Kiel in den Wassertopf fallen, nahm mit der Fingerspitze eine Eichelkappe auf und benutzte sie als Fingerhut, mit dem sie das Wachs wieder in das Löchlein drückte. Es habe zwanzigtausend »Erd-Hand-Fisch-Riesen-Babys« bedurft, um eine Kielladung davon herzustellen, sagte sie. Ich brauchte eine Weile, bis mir das Wort dafür einfiel, wovon sie sprach: Boviste. Riesige Erdstern-Boviste wahrscheinlich. Ich drehte meine geistige Festplatte an die Stelle, wo ich einpaar Botanikbücher abgespeichert hatte: Lupi crepitus . Bovistkugelschwamm. Lycoperdales geastrum. Neotropisch. Spezies unbekannt.
    Koh holte wieder etwas aus ihrem Bündel. Diesmal war es der polierte Rippenknochen eines Hirsches. Sie tauchte ihn in den Wassertopf, zog ihn heraus und rührte die Tröpfchen, die an dem Knochen hängen geblieben waren, in einen zweiten Krug voll Wasser. In ihrem persönlichen Code sagte sie etwas zu ihrer Zwergin. Die Zwergin rutschte von Kohs Schulter herunter, hielt den Atem an, verschloss den ersten Topf, nahm ihn auf und trug ihn zehn Schritt weg zu einem kleinen Kanal, der in den Fluss mündete. Behutsam – denn für sie war das Wasser ein geachtetes Lebewesen – goss sie es in den Kanal und warf den Krug, den Deckel, alles andere achtlos hinterher, sodass sie zersprangen.
    Ich schaute in den Trinkwasserkrug. Mannomann, dachte ich, das dürfte ein verdammt wirksames Scheißzeug sein. Koh holte eine getrocknete Prunkwinde aus ihrem Wundersack, trennte mit zwei Hornnadeln, die sie wie Essstäbchen hielt, ein einziges kleines Blütenblatt ab, tauchte es in den Krug, steckte die Pinzette wie einen Doppelmast mit einer feuchten Flagge an der Spitze in die Matte und verschloss das Gefäß. Dann hielt sie eine kleine Myrtenstrauchfackel nahe an das Blütenblatt, bis es trocken war, nahm es mit den Fingern von der Pinzette und riss es entzwei, als wäre es eine LSD -Pille. Eine der Hälften steckte sie sich in den Mund, die andere gab sie mir. Ich konnte die Musik der Grateful Dead geradezu hören, als ich mir das Blütenblatt auf die Zunge legte.
    »Es zu kochen schadet seiner Kraft kaum«, sagte Koh.
    »Sie müssten ihr Trinkwasser fortan destillieren.«
    Das Wort, das sie benutzte, lautete »auf Stoff dampfen«, bedeutete aber »destillieren«. Was allerdings niemand getan hätte. Mit Ton, Holz oder Leder als einzigen Materialien war es schwierig, Wasser in großen Mengen zum Kochen zu bringen, und die Menschen waren es gewöhnt, sich mit Bergquellwasser zu begnügen, das in ihre Häuser geleitet oder gebracht wurde. In Ix war die Trinkwasserversorgungvom Bewässerungssystem für die Äcker getrennt. Letzteres wiederum kam nicht mit dem Wasser im künstlichen See und im Kanalnetz in Berührung, das zu reich an Gerbstoffen und Salz war. Angeblich kam alles »geheiligte ursprüngliche« Wasser – das reine Wasser – aus dem Nimmerleeren Quell des Wasserlilien-Ozelots, dem Zentralreservoir von Ix. Die riesige Zisterne wurde von zwei kalten unterirdischen Bächen gespeist, die aus der Bergflanke brachen. Sie war das Herz der Stadt und die Nabelschnur der Welt, des Baumes der 400 4 Äste, gewoben, als die Erdkrötin noch ein Ei mit weicher Schale war. Wasser war umso heiliger, je weiter stromaufwärts es geschöpft wurde, und frisch aus der Erde gekommen stand es unter der direkten Gewalt des Ahaus, des Herrn der Befruchtenden Wasser, und speiste die zwölf Trinkbrunnen der Stadt. Später strömte es, unreiner geworden, in die Kanäle, mit deren Schleusen die Ahauob’ die Bewässerungszyklen der Stadt steuerten. Schon immer hatte alles Wasser der Ozelot-Sippe gehört, sowohl auf ihrer Halbinsel als auch auf dem umgebenden Festland. Seit den frühesten Tagen der Stadt als kleine Bewässerungsgemeinschaft vor drei B’ak’tunob’ bildete es eine der Grundlagen ihrer Macht.
    »Auf dem Hofe stehst du vor ihrem Garten«, sagte Koh und wies auf die Stelle.
    »Ihr Tor ist dreihundert Schritt von dem Brunnen
    Auf der weiblichen Seite ihrer großen Mul. Renne zum Festland,
    Gebe vor, als wolltest du dich ersäufen, und öffne den Beutel.
    Dann

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