2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)
Jahrhundert gelangen. In jedem Fall mussten wir nach Ix.
Manchmal – in Zeiten wie diesen ganz besonders – möchte man sich einfach mit dem Klischee begnügen: Ich war am Boden zerstört. Sicher, es wäre schön, wenn einem ein besserer Vergleich einfiele, aber wozu sich die Mühe machen. »Am Boden zerstört« trifft es sehr gut.
Erstaunlicherweise machte mir besonders zu schaffen, dass die Welt noch immer untergehen würde. Ich begriff, dass sie mir in einem allgemeinen Sinn am Herzen lag, nicht nur persönlich. Wenn ich hier an meinen Neuroblastomen oder bei einem Hüftballspiel oder durch einen Feuersteindolch oder ein Holzschwert oder weiß der Henker was den Tod fand, wollte ich trotzdem, dass die gute alte verrückte lausige widerliche absurde alte Welt weiterexistierte.
Okay. Pass auf. Wir schaffen das, sagte ich mir. Wir sind jung, wir sind noch ganz gesund, wir sind tüchtig, wir wissen mehr als sonst jemand auf der Welt. Wir setzen auf den Favoriten. Wir gehen nach Ix und helfen 2 JS , den ganzen Laden zu übernehmen. Im Gegenzug hilft er uns, ein Menschenspiel aufzuziehen. Alles halb so wild, stimmt’s?
Von wegen. O Gott, sind wir am Arsch! Wir sind so am Arsch …
Hör auf. Reiß dich zusammen. Sei ein Mann. Gürte deine Lenden. Vorwärts, krauch.
Am Isthmus von Tehunatepec bogen wir von der Handelsstraße gelbwärts ab und nahmen einen Pfad, auf dem wir nur in Einzelreihe gehen konnten. Er führte durch ein Gebiet, das »Protektorat der Braunen Ameisen« genannt wurde. Es war der Boden eines devonischen Meeres, bedeckt von grobem weißem Kalziumsand, der aus Diatomeen, Haarsterngehäusen und den Skeletten vorzeitlicher Panzerfische bestand. Die Hügel kündeten von nächtlichen Streifzügen; man sah nach Moschus riechende Stränge aus Fuchslosung und Spuren von Sidewindern, die wie parallele Schnittwunden aussahen, aber bei Tageslicht erschien alles wie tot. Manchmal kamen wir an einem Rudel Gürteltiere vorbei, die wie riesige Asseln umherstreiften und Ameisen von einem flechtenbedeckten Hirnkorallenlappen leckten. Angeblich beschwerten sich einige bekehrte Geblüte weiter hinten, wir führten sie nach Kikilbaj, das die Azteken später Mictlantecuhtli nennen würden, den wüstenartigen Friedhof am gezackten Rand der nullten Welt. Sie faselten unablässig von himmlischen Pumas und Jaguaren und vollführten alle möglichen erbärmlichen kleinen Rituale, boten Bestechungen verschiedenster Art an, sogar Adoptionen, und flossen über vor Entschuldigungen und Drohungen. In der wenig beliebten Nachhut der mittlerweile endlos erscheinenden Prozession opferten Familien ihre kleineren Kinder den Herren ihrer Herdfeuer und zwangen sie, Asche zu schlucken, oder drückten ihnen heiße Steine in die Augen.
In der Nacht griff uns ein weiterer Trupp Pumas an, und wir verloren vier Geblüte, fünfzig Träger und drei- oder vierhundert Leibeigene. Es war der schlimmste in einer langen und wiederholten Abfolge von Überfällen. Die Dinge liefen gar nicht gut. Bei Nacht berief Hun Xoc in Frau Kohs Namen einen Kriegsrat ein. Viele gute Ideen kamendabei nicht heraus. Schließlich schlug 1-Gila vor, uns in zwei Gruppen aufzuspalten. 1-Gila würde den Großteil der Kolonne führen, Kohs »Vierhundert Familien« von Bekehrten, und auf dem eingeschlagenen Weg weiter nach Südosten marschieren. Sie würden unsere Sänften und Standarten und einige unserer Kostümierer mitnehmen, sodass sie Doppelgänger von mir, Hun Xoc und anderen Promis an unsere Plätze setzen konnten. Der Rest von uns, die Harpyien-Geblüte, 14-Verwundeters Gruppe und Kohs Würdenträger, Große Mütter und »Häscher-Geblüte«, würden uns unsere Markierungen abwaschen, nach Südwesten abbiegen und als viel kleinere Eliteeinheit dem langen Weg die Küste hinunter folgen. 2-Tote-Koralle und sein Trupp sollten bei uns bleiben, um uns nach Ix zu eskortieren, während die anderen Gesandten und ihre Boten bei den »Vierhundert Familien« blieben. Die Leute von Abgetrennte Rechte Hand würden mit ziemlicher Sicherheit der größeren Gruppe folgen.
Taktisch klang es wie das Richtige, tatsächlich aber war es ein kaltblütiger Schachzug. Die nicht ausgebildeten Bekehrten würden völlig exponiert das Feuer auf sich ziehen. Koh würde dabei vielleicht die Hälfte ihrer Konvertiten opfern. Andererseits waren sie nun zu vierhundert mal vierhundert. Selbst wenn nur achtzigtausend von ihnen es nach Ix schafften, reichte das, um die Schlacht zu 2 JS ’
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