2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)
sie, dass sie ihm opfern sollte, damit er die volle Kraft seines getrockneten Blutes freigab. Ich machte eine Gebärde, die »okay, von mir aus« bedeutete. Das war ganz schön kühn, aber ich muss zugeben, ich vermasselte die Wirkung, indem ich ihr sagte, dass keiner ihrer Leute erfahren dürfe, dass wir es auf die Große Zisterne abgesehen hatten. Ihr das zu sagen war eine Beleidigung, denn damit deutete ich im Grunde an, ihre Geblüte könnten unter der Folter zerbrechen. Aber sie schien es nicht zu bemerken.
Sie flüsterte mit Coati.
»Lass dir von ihnen kein Wasser im Korb geben«, sagte ich. Mit »Korb« meinte ich die Stelle im Haus des Ozelots, wo man hochrangige Gefangene unter Selbstmordwache festhielt. Wie den Korb, in dem 2-Juwelenbesetzter-Schädel mich gehalten hatte.
Sie trinke sowieso kein Wasser, erwiderte Koh. Das war eine Art Witz für Dürrezeiten, wie etwa »Lippen, die Wasser berühren, kommen mir nicht an den Mund«.
Coati kehrte zurück und reichte Koh ein rot-weiß eingeschlagenes uah’ach , eine Art zeremonielles neunschichtiges Tortillabrot, das Frauen den Spielern vor dem Match geben sollten. Koh hantierte damit kurz hinter ihren Schirmen, trat vor und reichte es mir über die Wand ihres Pferchs. Ich machte die Gebärde für »angenommen«,riss die Hülle aus gefärbten Maishülsen auf und biss hinein. Besonders gut war es nicht gerade.
Koh sprach wieder in der gleichen Sprache zu Coati: »Schlag dich zu 2-Juwelenbesetzter-Schädel durch. Wenn du nicht zu ihm durchkommst, dann wende dich an Hun Xoc.« Sie befahl ihm, beide über das Erdstern-Pulver aufzuklären. Vielleicht konnten sie zum Harpyien-Haus zurückkehren und es einen Tag lang halten. »Aber sorge dafür, dass sie so lange wie möglich stillhalten«, fügte sie hinzu.
Sie wandte sich wieder an mich. »Xka’ nan’ech lo’mob kutz« , sagte sie. »Rauche schneller, als die Fliegen stechen können.« Das war eine flapsige Bemerkung zum Abschied, wie etwa: »Mach mir keine Schande.« Sie ging davon. Die Menge hinter ihren Wächtern setzte sich wieder in Bewegung, und die ixianischen Rasslerkinder riefen ihr respektvoll Fragen zu und baten um Vorhersagen zum Ergebnis, als wäre sie eine Mischung aus Dalai-Lama und Nick the Greek, was sie im Grunde sogar war. Ich ging davon aus, dass sie die Frager ignorierte, doch unvermittelt drehte sie sich im Schutz der halbtransparenten Schirme um und ließ von Coati verkünden:
»Nun, zwölftes K’atun, neun Stern, sechzehn Weiße,
Ehe der dreizehnte Ball das Grün hinaufrollt,
Achtet auf eingewachsenes Blauhaarknotengras in euren Mauern.«
(33)
Die Wellen des Gebrülls flauten kurz ab; dann türmten sie sich höher auf, als die Leute auf den Ausspruch reagierten und fragten, was Koh gemeint habe. Auch ich hatte nicht die leiseste Ahnung, wovon sie redete. Nimm mal ein bisschen Delphi raus, Baby, dachte ich.
Ich beobachtete, wie Koh sich abwandte und ihre Eskorte über den Gehweg zurückführte, die östliche Endzone des Feldes umrundete und eine Seitenrampe zur südlichen Plattform hochstieg, hindurch zwischen Hunderten feindselig dreinblickender Ozelot-Geblüten in Jaguarfellen und Stacheln aus smaragdgrünen Federn, die vermutlich alle nur auf das Zeichen warteten, sie zu packen und in mundgerechte Fetzen zu zerreißen. Sie grüßten Koh, und diese musste die Grüße erwidern, als wäre es ihr die größte Ehre auf Erden, bei ihnen stehen zu dürfen. Ozelot-Gardisten führten sie nach vorn zum Rand der Plattform, wo der ixianische Rassler-Addierer in der begehrten zweiten Reihe wartete. Koh und der Rassler-Addierer begrüßten einander in öffentlicher Zeichensprache. Ich stellte mir vor, wie von ihren Köpfen kleine Gedankenblasen hochstiegen, in denen stand: Und nachher bringe ich dich um.
Koh war dort oben vollkommen isoliert. Wenn es zum Kampf kam, müssten unsere Geblüte sich in den Graben des Spielfelds hinunterrollen lassen, die gegenüberliegende glatte Rampe zur Plattform hinaufstürmen und versuchen, ihre Herrin zu umschließen, ehe die Ozelots sie nach hinten wegzerren konnten. Das würden sie niemals schaffen.
Niemand schien auf mich zu achten. Ich beugte mich vor, als hätte ich Schwierigkeiten mit meiner Sandale, riss die neunschichtige Tortilla mit den Zähnen ganz auf und zog etwas heraus, das ich erkannte: einen doppelwandigen Blasenbeutel. Er enthielt den Erdsternstaub.Ich klopfte etwas Maisstärke ab und reichte ihn nach hinten an Gürteltierschiss
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