2015 - Mein Freund der Tod
einmal, sich weiter von mir abzuwenden. „Warum tust du es nicht?" versetzte ich. „Versuch´s doch."
Ein ersticktes Gurgeln kam über seine Lippen, als ich meine Waffe hochriß. Sekundenlang hielt ich die Stange hoch erhoben, ehe ich zuschlug. Yomanrils gellender Aufschrei brach wimmernd ab.
Ich hätte ihm den Schädel zerschmettert, hätte ich mich nicht im letzten Moment zur Seite gedreht.
So krachte das Eisen mit aller Wucht gegen eines der Seitenteile der Guillotine und wurde mir förmlich aus den Händen gerissen.
Ich konnte keinen hilflosen Verwundeten kaltblütig ermorden. Nicht einmal einen Mann wie Yomanril.
Seine Verwandlungsfähigkeit war ungeheuer. Er lachte schallend. „Ich wußte es, Bull, du bist nur ein verweichlichter Terraner..."
Fast floh ich vor mir selbst, als ich mich herumwarf. Eine Weile hörte ich Yomanril noch sein Gift verspritzen, dann war ich zu weit weg.
Golkana entpuppte sich als architektonisches Labyrinth, eine Ansammlung endloser Korridore, versetzter Ebenen und Schächte. Vor allem war das Ausmaß der Zerstörungen größer, als ich anfangs vermutet hatte. Den Absturz aus wenigen Dutzend Metern Höhe hätte die Festung einigermaßen glimpflich überstehen müssen, doch waren es die vielfältigen Sicherungs- und Waffensysteme, die mit unkontrollierten energetischen Entladungen statische Strukturen geschwächt hatten. Meine Überzeugung wuchs, daß Golkana einem KorraVir zum Opfer gefallen war.
Die Lufterneuerung funktionierte kaum noch. Beißender Rauch wälzte sich durch die Korridore, Löschvorrichtungen versprühten unkontrolliert ihren Schaum; hin und wieder fegte die Hitzewelle einer Verpuffung heran.
Vor vielleicht einer Viertelstunde hatte ich Yomanril seinem Schicksal überlassen; inzwischen fürchtete ich, nie nach draußen zu gelangen. Viele Korridore waren kaum passierbar, ich war mehrfach zum Umkehren gezwungen gewesen und hatte Tote gefunden, Männer und Frauen in ähnlicher Kleidung wie ich. Aus der Schwere ihrer Wunden schloß ich auf Roboterwaffen. Daß ich selbst keinen Kampfrobotern begegnet war, mochte Glück sein. Vielleicht durchkämmten die Maschinen systematisch alle Etagen.
Daß ich hin und wieder Spuren hinterließ, war mir egal. Lange würde ich mich trotz des Zellaktivators nicht auf den Beinen halten können. In den tiefer liegenden Etagen wurde gekämpft, ich gewann sogar den Eindruck, daß das Fauchen der Strahlschüsse und der Explosionsdonner sich in meine Richtung verlagerten.
Zum zweiten Mal entpuppte sich ein Korridor als Sackgasse. Ein Sicherheitsschott riegelte den Weg hermetisch ab. Also dreißig Meter zurück und in eine andere Richtung weiter. Rauch und ätzende Gase hatten meinen Speichel ausgetrocknet und meine Kehle in eine offene Wunde verwandelt. Jeder Atemzug tobte wie mit Nadeln durch die Lunge. Hektisch hämmerte das Herz gegen die Rippen.
Ein blutiger Schleier lag über meinen Wahrnehmungen. Sekundenlang preßte ich die Stirn gegen den kühlen Stahl des Schottes, um meine Lebensgeister neu zu mobilisieren. Dann taumelte ich zurück, verbissen und mit der Monotonie eines Uhrwerks. Einen Fuß vor den anderen und mit der Hand an der Wand abstützen. Aufgeben kam nicht in Frage. Obwohl es verlockend erschien, mich zu Boden gleiten zu lassen und auf die Retter zu warten. Vielleicht irrte ich mich auch. Dann waren keine Terraner nach Arkon gekommen. Nicht einmal Gucky. Ich vermißte ihn. „Wie der Zufall so spielt..." Die eisige Stimme, bar jeder Emotion, trifft mich wie ein Dolchstoß.
Mühsam versuche ich den Schatten identifizieren, der aus einem Seitenkorridor hervortritt, aber erst als ich mit dem Handrücken den verklebten Schweiß aus den Augen wische, erkenne ich Yomanril. „Erstaunt, Terraner?" Langsam kommt er näher. Mein Blick frißt sich an der Waffe in seiner Rechten fest. „Ich bringe mein Werk stets zu Ende", spottet er. „Warum hast du mich nicht getötet, Schwächling?"
Er schießt. Der Thermostrahl faucht haarscharf an meinem Kopf vorbei und verliert sich im Korridor. Ich spüre die sengende Hitze, die mein Haar und die Haut verbrennt, und zucke zur Seite. „Du hast meinen Ruf zerstört, Bull." Es gibt keinen Fluchtweg. Yomanril steht fünf Meter vor mir; ich habe nicht mehr die Kraft, vorzustürmen. „Wenn du Golkana verlassen willst, rede!"
Trotz und Verbissenheit lassen mich den Kopf schütteln. Niemals werde ich Terra verraten. Das hieße, alles mit den Füßen zu treten, wofür ich jemals
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