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2.02 Der fluesternde Riese

2.02 Der fluesternde Riese

Titel: 2.02 Der fluesternde Riese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Masannek
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präparierte Schanze über die Vorgartenmauer in Julis Garten zu springen. Besonders das Beiwagenfahrrad brauchte den Speed. Es transportierte nicht nur Nerv, seinen Fahrer. Im Beiwagen befand sich auch noch der Subwoofer-geboosterte High-Noon-D-Day-Thunder-Blaster. Und der hatte Gewicht.
    Nerv stemmte sich deshalb in seine Pedale. Er legte sich mit seinem Gewicht nach links, bis das Beiwagenrad rechts vom Boden abhob. Er fuhr jetzt nur noch auf zwei Rädern. Er schrie schon wie ich:
    „Wunderwind-wirbeliger-Augenblick!“

    Da sahen wir Julis Mutter. Sie stürzte aus dem Haus in den Garten, und sie hatte sich Schallschutzkopfhörer über die Mütze gestülpt. Sie schwenkte zwei Stäbe in ihren Händen, und an denen klebten zwei runde Schilder:
    HALT! STOPP!, lasen wir mit blankem Entsetzen, stiegen im letzten Moment in die Bremsen, rissen die Hinterräder herum, rutschten hilflos über den Gehweg und knallten gegen die Vorgartenmauer.
    „Crashtest-gestauchte-Schnapsidee!“, flüsterte Nerv und befühlte seinen Körper, als wär er gerade von den Toten erwacht. Er wollte nicht glauben, dass er noch lebte. Und ich holte Luft.
    ‚Was fällt Ihnen ein! Sind Sie geisteskrank? Juli, hat deine Mutter vielleicht was getrunken?’
    Das wollte ich schreien. Doch bevor die Luft meine Lungen füllte, drehte sich Julis Mutter einfach um. Sie zeigte mit dem Daumen auf ihren Rücken, und dort lasen wir beide:
    VERBOTENE ZONE. EX-WILDE-KERLE UNERWÜNSCHT.
    „Imperialistischer Todesstern!“ Doch anstatt wütend und zornig zu klingen, säuselte Nerv, als würde er sagen: Lilligefeetes Gänseblümchen.
    Und auch ich war geschockt. Ich schaute verstört zu Camelot, das sich im Garten hinter Julis Mutter auf der Platane erhob.
    „Das ist unser Baumhaus …“
    „… gewesen!“, fiel sie mir ins Wort.
    „Das ist unsere Festung!“
    „Festung von wem?“ Sie blitzte mich an.
    „Von den Wilden …“
    „ … Kindern?“, fragte sie spöttisch und lachte mich aus. „Oder wie willst du Jungs nennen, die sich nur trauen, zuhause im Garten zu zelten, anstatt dort, wo es gefährlich ist?“
    „Heimlich gelutschter Kopfkissenzipfel“, pfiff Nerv wie ein Wasserkessel und schaute zur gegenüberliegenden Straßenseite. Dort vor dem Haus, in dem einst Fabi gewohnt hatte, stand und hockte der Rest unserer Mannschaft, als hätte man sie ausgespuckt.
    „Ihr solltet sie nicht länger reizen“, warnte mich Juli.
    „Sonst wird sie noch richtig beleidigend.“ Leon blies sich zornig eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
    Ich schaute von ihm zu Julis Mutter. Die hob eine Braue, und als sich die Stirn darüber zu kräuseln begann, verdunkelte sich der Himmel. ‚Na. Komm schon. Ich warte. Ich mache dich fertig!’ Das las ich in ihren funkelnden Augen, und ich hatte keinen Zweifel daran, dass sie genau das tun würde.
    „Okay!“, sagte ich heiser. „Dann hauen wir ab. Wir fahren zum Teufelstopf .“
    Ich riss mein Motocross-BMX herum und zwang es auf die Straße. Ich fuhr wie in Honig, und ich hatte dabei noch das maue Gefühl, dass ich die Kerle hinter mir herziehen musste. Ich drehte mich um. Ich sah, wie sie sich nur langsam erhoben und noch langsamer auf ihre Räder setzten.
    „Jetzt kommt schon!“, rief ich. „Was ist mit euch los! Wir werden’s ihr zeigen. Wir werden ihr zeigen, dass wir nicht mehr im Sandkasten spielen!“
    Verfuchst und verteufelt! Dieser Satz wirkte Wunder. Er straffte die Muskeln. Er floss durch mich durch wie Wind ein Segel aufbauscht, und mit dieser Kraft raste ich an der Spitze des Pulks durch die Stadt und die Steppe in den Teufelstopf .
    Dort hielt ich vor Willi. Der hockte vor einem kleinen roten Zelt, das er an der Stelle aufgeschlagen hatte, an der bis vor Kurzem noch sein Wohnwagen gestanden hatte, und briet sich ein Würstchen über dem Feuer. Ihr wisst schon, eines dieser extradicken Würstchen, die er für uns gebraten hatte, als wir uns für die Stadtmeisterschaft qualifizieren wollten und Maxi seine Stimme verlor. Seine Stimme und seinen Triple M. S. GTI Wild. 26

    Mir lief das Wasser im Mund zusammen. Ich hatte den ganzen Tag noch nichts gegessen, und den anderen Kerlen ging es nicht besser.
    „Hey Willi, hast du noch mehr davon?“, grinste ich frech und schielte dabei zu dem riesigen Glas, in dem mindestens noch zehn dieser fast armdicken Würste schwammen.
    Doch Willi schaute mich nicht einmal an. Er schaute ins Feuer und rührte sich nicht. Da sprang ich vom Fahrrad und lief frech zu dem

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