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2.02 Der fluesternde Riese

2.02 Der fluesternde Riese

Titel: 2.02 Der fluesternde Riese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Masannek
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ihr Baumhaus-Dachstuhl-Zimmer hat, und die Frau, die ihren Kopf nach draußen streckte, seufzte so sehnsüchtig, verzaubert und süß, dass ihr die Lockenwickler wie Sicherungen aus den schneeweißen Haaren sprangen.
    Mein letzter Saxofonton krepierte erbärmlich.
    „Oh-Oma Schrecklich!“, stammelte ich.
    „Heiliger Hopsassa!“, hörte ich Juli, den ich wie die anderen Kerle jetzt erst bemerkte, und ich wurde rot. Schlagartig. Explosionsartig. Schwindelerregend.
    „Oh-Oma Schrecklich!“ Ich starrte die Frau an, die Vanessa früher einmal als gefriergetrocknete Barbiepuppe 46 bezeichnet hatte. „Ich w-w-wollte eigentlich z-zu Va …“
    „Oh, die ist nicht da!“, fiel sie mir ins Wort und lächelte dabei noch immer wie ein Bauch-gepinseltes Honigkuchenpferd. „Sie ist leider nicht da, und sie hat das leider, oh-Gott-oh-Gott-leider, nicht mit anhören können.“
    Sie warf einen Blick ins Zimmer zurück, wo, was ich nicht wusste, Vanessa wutschnaubend unter der Decke ihres Bettes lag und sich das Kopfkissen über die Ohren stülpte.
    „Sie ist leider nicht da!“, wiederholte die Oma. Ich wunderte mich über den tadelnden Ton. „Und ich würde es ihr vorsingen. Ich meine dein Lied.“
    „Untersteh dich!“, drohte Vanessa aus dem Berg ihrer Kissen.
    „Ich würde es ihr vorsingen, wenn ich es könnte. Vanessa, oh Vanessa!“, krächzte Oma Schrecklich demonstrativ. „Doch ich kann das nicht, leider.“ Sie versuchte es noch einmal, verzückt und versonnen: „Ich fang dir das Lächeln von Schweinsteiger ein.“
    Doch auch wenn es ihr selbst eine dicke Träne der Rührung aus den Augen presste, klang es schief und erbärmlich. „Siehst du, es geht nicht!“ Sie wischte sich die Träne aus dem Gesicht. „Aber vielleicht hast du ja einen Brief. Ich mein, ein paar Zeilen, die dein Lied beschreiben. Ich meine, dein Herz und deine Gefühle. Dann könnte ich ihn ihr später geben, und ich verspreche dir, Marlon …“
    Mehr wollte ich nicht hören. Ich rief: „Na klar! Ich hab sogar mehr!“, und während sich Leon fassungslos umdrehte, während er beschloss, mich zuerst umzubringen und dann zu quälen, lief ich zum hexenähnlichen Haus, kletterte die verwunschene Fassade hinauf und reichte der Oma meinen Brief und ein Päckchen. Dabei erhaschte ich einen Blick durch das Fenster und sah Vanessas wütenden Blick. Sie saß aufrecht in ihren zerwühlten Kissen und blitzte mich giftstacheltödlich an. Doch sie konnte nichts sagen, und weil das so war, ging es mir gut. Nein, mir ging es prächtig. „Ja, bitte, geben sie ihr bitte beides. Den Brief und das Päckchen!“ Ich schenkte der Oma ein verschwörerisches Grinsen und sprang dann zu meinen Freunden zurück.
    Die starben gerade vor lauter Fremdschämerei. Die hätten mich am liebsten nicht mehr gekannt.
    „Du bist nicht mein Bruder!“, sagte die Körperhaltung von Leon, mit der er mir zornig entgegentrat. Doch ich nahm ihn lachend in den Arm.
    „Und ob ich das bin. Hey, Brüderchen Böse. Ich bin nur heute Nacht durch die Hölle gegangen. Ich hab meine Träume aus mir herausgerissen und musste mir anschauen, was Billi, der Ringelsocken-, Flugzeugpropeller- und Klapperschlangenmann, unter seinen Mänteln trägt. Ich hab erfahren, dass Vanessa bei den Biestern spielt. Bei den Biestern und Fabi.“
    Ich sah den Schock in Leons Gesicht.
    „Und ich musste mich selbst für ein Team entscheiden.“
    „Hyänen-räudiger-Oberverräter!“, flüsterte Nerv und starrte mich und meine Wolfskleider an. „Bist du ’ne Ratte? Verlässt du das Schiff? Gehst du zu April, dieser Schakalin?“
    „Na klar tut er das!“, schnitt Maxi ihn ab, und dann sahen die anderen Kerle sein Lächeln. „Deshalb hat er sich hier bis auf die Knochen blamiert.“
    Er kam auf mich zu und hob die Hand zum High five: „Nein. Er ist einer von uns!“
    Ich schlug dankend ein: „Und ob ich das bin. Und ich werde nicht eher ruhen, bis das alle kapieren. Alle, hört ihr, und als Erstes Vanessa!“
    Ich rief das zum Hexenhaus und Oma Schrecklich zurück und lachte bei dem Gedanken, dass sich Vanessa unter ihren Kissen vergrub.
    „Dann holen wir uns jetzt die Trikots, Marlon!“ Rabans Brillengläsern strahlten vor Glück.
    „Nein, das müssen wir nicht mehr“, sagte ich lachend. „Die habe ich schon für euch geholt. Für euch und Vanessa. Oder, was glaubt ihr, ist in dem Päckchen, das ich der Oma gegeben hab?“
    Ich lachte noch einmal und schaute zu Leon.
    „Was ist, bleibst du hier,

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