2029 - Ein Planet im Visier
Terra als Aggressor brandmarken.
Mit anderen Worten: Egal was ich unternehme, es wird immer das Falsche sein."
Vornübergebeugt stützte er sich auf der Funkkonsole ab. Sein Mienenspiel war seit wenigen Minuten wie ein aufgeschlagenes Buch. Zorn und Trauer, Zweifel und ungebändigter Tatendrang wechselten sich ab. Herausfordernd schaute er Pearl TenWafers Abbild an. Die LEIF ERIKSSON war als letzter Großraumer vor knapp einer Stunde eingetroffen. Damit waren nun alle Schiffe der ENTDECKER-Klasse versammelt.
Auch 1800 Räumer der ertrusischen Heimatflotte hatten den Weg aus dem System gefunden.
Viele von ihnen mit deutlichen Schäden, einige halbe Wracks, die wohl nur dank des unbeugsamen Willens ihrer Besatzungen noch flugfähig waren. Die zwanzig Tender der LFT waren bis auf den letzten Docking-Platz belegt. Techniker und Robotteams arbeiteten mit Hochdruck an der Wiederherstellung möglichst vieler Schiffe.
Eine Minute, vielleicht sogar länger, stand Reginald Bull wie zur Salzsäule erstarrt. In seinen Augen brannte ein verzehrendes Feuer. Ein tiefer Atemzug folgte. „Wieso, Pearl?" stieß er endlich hervor. „Wieso mußte Perry auf diesen verdammten Kahn gehen? Zweihundertfünfundsechzig Meter ..." Er preßte die Lippen aufeinander und schüttelte in stummer Verzweiflung den Kopf. „Das ist eine Nußschale, aber kein Flaggschiff.
Ausgerechnet Ertrus." Er unterbrach sich und wischte sich mit der zur Faust geballten Linken über den Mund. „Weißt du, wie das ist, nach dreitausend Jahren den besten Freund zu verlieren? Nein, du kannst es dir nicht vorstellen, und du hast keine Ahnung, wie es in mir aussieht. Ich habe nicht die Kraft, Pearl, Perrys Tod unbewegt hinzunehmen. Vor allem fürchte ich den Moment, in dem meine Rachegedanken die Oberhand gewinnen."
„Würdest du wirklich den Angriff befehlen - und Perrys Ideale in den Dreck treten?"
Bulls Augen weiteten sich ungläubig. Andere an seiner Stelle hätten Pearl TenWafer ein Disziplinarverfahren angedroht, doch er wußte genau, wie sie ihre Worte gemeint hatte. „Nimm mir bitte nicht die Illusion, daß ich es tun könnte! Schließlich bin ich auch nur ein Mensch."
„Theoretisch hätte Perry Rhodan die MELBAR KASOM über einen Transmitter verlassen können. Bis zu ihrer vollständigen Vernichtung blieb ausreichend Zeit. Andererseits: Mit Beginn der Schlacht um Ertrus wurden alle Transmitter gezielt von den Arkoniden gestört.
Das Risiko für jeden, der es dennoch versucht ..."
„Keine Schilderung, bitte!" unterbrach Bull. „Nach wie vor ist die Störstrahlung enorm. Ich habe versuchen lassen, eine Transmitterverbindung zu einem der Planeten aufzubauen - wir konnten nicht eine Gegenstation im Kreit-System erreichen. Trotzdem gebe ich die Hoffnung nicht auf. Solange wir keinen Beweis dafür haben, daß Perry wirklich tot ist, werde ich nach ihm suchen lassen. Das muß ich einfach, auch wenn ich mich damit selbst belüge."
*
Als hätte es sich in Windeseile herumgesprochen, daß eine LFT-Flotte nur ein Lichtjahr vor dem Kreit-System Stellung bezogen hatte, kamen unaufhörlich neue Schiffe aus dem Hyperraum. Innerhalb weniger Stunden waren es mehr als zweihundert Raumer von Außenplaneten der Kreit-Koalition.
Knapp ein Dutzend erwiesen sich als schlagkräftige Kampfschiffe, deren Kommandanten sich vorbehaltlos dem LFT-Kommando unterstellten. Alle anderen entpuppten sich als primitive Fracht- und Handelsflöße. Mit den kaum bewaffneten Antriebs- und Kontrolleinheiten war indes kein Blumentopf zu gewinnen. Ihre bugseitig starr eingebauten Desintegratoren konnten auf Kollisionskurs liegende Asteroiden unschädlich machen, aber beileibe kein arkonidisches Schlachtschiff.
Diese Flöße waren vielmehr Teil des täglichen Güterverkehrs, der Ertrus mit Nahrungsmitteln versorgte. Nur etwa achtzig Prozent lieferte die planetare Industrie, alles andere mußte importiert werden.
Mit jedem eintreffenden Handelsfloß erhöhte sich die Zahl derer, die vom Verteidigungsminister der LFT den raschen Angriff auf die Besatzerflotte forderten. Vor allem wurde die offizielle Begründung des Kristallimperiums, im Kreit-System lediglich eine Strafexpedition vorzunehmen, um die für die Zerstörung der GILGAMESCH Verantwortlichen einer ordentlichen Gerichtsbarkeit zuzuführen, als Lüge entlarvt.
Filmmaterial von Bord des ehemaligen Camelot-Flaggschiffs, wie und auf welchen Wegen auch immer die MikroSpeicher in die Hände der Kreit-Koalition gelangt sein
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