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203 - Die Wüstenfalle

203 - Die Wüstenfalle

Titel: 203 - Die Wüstenfalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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Willen entzogen«, krächzte er. »Ich kann es mir selbst nicht erklären.«
    Wie ein Schlaftrunkener, der gerade aus einem bösen Traum erwacht war, tastete er nach den Säbeln, die um ihn herum im Gras lagen. Über ihm flatterte Titana. »Es war wie ein Anfall…«
    »Verstärkung!« Vor der offenen Gondeltür stopfte Victorius mit dem Ladestock eine Bleikugel in den Lauf seiner Büchse.
    »Sie bekommen Verstärkung!« Er zog den Stock aus dem Lauf und zeigte nach Süden. Die Blicke aller folgten ihm. Schwarz gekleidete Kamelreiter jagten von Süden her in einer Staubwolke heran.
    ***
    8. Februar 2012
    Vier Monate war es her, dass er den Oasenbunker zum ersten Mal betreten hatte – wie vier Tage waren sie vorbeigerauscht; vier Tage voller Bangen und Hoffen. Georgios Awakian blickte auf die Leinwand und konnte nicht fassen, dass es wirklich so weit war, dass es jetzt tatsächlich geschah. Dabei wusste er seit mindestens zwei Monaten sicher, dass es geschehen würde.
    Etwas wissen können und etwas fassen können – wie unterschiedlich ausgeprägt konnten diese beiden menschlichen Fähigkeiten doch sein!
    An die dreihundert Menschen drängten sich in der Gemeinschaftshalle des Oasenbunkers; hinten an den Wänden etwa hundertachtzig Frauen meist jüngeren Alters, vorn vor der Leinwand etwas mehr als hundert Männer. Unter ihnen waren der Scheich und der Professor vermutlich die Ältesten.
    Am Rand der Leinwand flimmerte das Emblem von Al Dschasira, und in der Mitte der Leinwand, vor dem Hintergrund von Sternengeglitzer und Weltallschwärze, flimmerten die neuesten Bilder von »Christopher-Floyd«.
    Ein gleißender Feuerball im All – dem Atheisten Awakian erschien er ungefähr so real wie die Himmelfahrt der Heiligen Jungfrau, oder wie der Erzengel, der dem Propheten angeblich in der Höhle erschien, um ihm den Koran zu diktieren. Und doch war »Christopher-Floyd« so real wie das Gehirn in Awakians Schädel.
    Am unteren Bildrand der Leinwand konnte man, wenn man wollte, die aktuelle Entfernung des Kometen von der Erde ablesen und die noch bis zum Einschlag verbleibende Zeit, die Galgenfrist sozusagen. Im Augenblick betrug sie noch fünf Stunden, vierzehn Minuten und zweiundzwanzig Sekunden.
    Und einen Wimpernschlag später waren es noch fünf Stunden, vierzehn Minuten und einundzwanzig Sekunden.
    Awakian, der erlebt hatte, wie schnell etwas in mehr als vier Monate vorbeirauschen konnten, stockte der Atem.
    »Nun geschieht es also doch«, sagte der Mann neben ihm, Ali Ben Ulashi. »Wir haben es lange nicht wahrhaben wollen, ich jedenfalls nicht.«
    »Betrachten wir es als Stärke unserer Gehirne, den eigenen Untergang so lange wie möglich ausblenden zu können«, sagte Awakian.
    »Betrachten wir es doch lieber als Stärke gewisser Gehirne, die Möglichkeit des eigenen Untergangs ins Auge zu fassen und entsprechende Gegenmaßnahmen zu ergreifen«, erwiderte der Börsenmakler. Er blickte zum Scheich. »Mein Vater besitzt diese Stärke – mein Bruder Yassir leider nicht.«
    Scheich Kemal Ben Ulashi saß in der ersten Reihe direkt unter der Leinwand zwischen seinen Söhnen Achmed, Muhammad und Zahir. Um ihn herum saßen oder standen seine siebzehn Cousins, seine männlichen Enkel, so weit sie schon laufen konnten und nicht mehr gestillt wurden, und seine Brüder und Neffen. Auch Allan Smith entdeckte Awakian unter den Männern, auch El Tubari und seine Söhne.
    Der Scheich war der Patriarch. Der Scheich war die unumstrittene Nummer Eins. Der heranrasende Killerkomet bestätigte ihn auf der ganzen Linie, machte ihn geradezu zum Halbgott. Niemand würde hier unten sitzen, wenn der Scheich nicht so weitsichtig – oder, wie Awakian es insgeheim formulierte, kein Hypochonder gewesen wäre.
    Etwas mehr als vierzig Männer hielten sich noch außerhalb des Bunkers auf: die Leibwächter des Ben Ulashi Clans, einige Techniker, und diejenigen Männer unter den für einen Bunkerplatz Privilegierten, die mit Waffen umgehen konnten.
    Unter ihnen ein paar Offiziere der saudischen Armee. Das kleine Privatheer sicherte die Oase und ihre Umgebung vor Nomaden auf der Suche nach Zuflucht und würde erst in den letzten fünfzehn Minuten vor der Katastrophe in die unterirdischen Schutzräume fliehen.
    Fast andächtig betrachtete der Scheich die Feuerfaust auf der Leinwand. Er rauchte aus derselben Schischa wie seine Söhne.
    Im Schischakopf musste etwas besonders Gutes glühen, denn es roch süßlich und die Männer wirkten seltsam

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