2030 - Chimaerenblut
Finger, machte eine Faust, öffnete sie und betrachtete dabei das Holzmuster, das sich auf seiner Haut bildete. Schließlich verschwand die Maserung, und er blickte auf.
»Hat Lars mit dir geflirtet?« Er zwinkerte.
»Ja, er ist echt nett. Wie lange kennt ihr euch denn schon?«
»Seit der Schulzeit.«
»Und die Chimären-Bildung?«
»Hat ihm alles versaut. Lars war ein Sonnyboy, auf den die Mädels standen. Er glaubte, die Impfung nicht nötig zu haben und bekam damals als einer der Ersten die Große Influenza. Da half nur noch die Passivimpfung.«
»Aber er muss doch damals schon Anfang zwanzig gewesen sein – oder täusch‘ ich mich?«
»Stimmt!« Constantin senkte die Stimme. »Er wollte mit Muskeln imponieren, war jedoch zu faul fürs Training. Wusste ja keiner, dass die Antikörper an den Wachstumshormonen andocken. Somatotropin. Ein Schnitzel hat genügt.« Er verzog die Mundwinkel und wirkte gequält. »Glaub jetzt nicht, dass ich Chamäleon-Fleisch esse.«
»Nein. Ich habe auch keinen Hai verspeist.« Josi zeichnete mit dem Finger die Tupfen auf ihrem Fischschwanz nach.
Constantin beugte sich vor. »Ein sehr schönes Muster. Der Hai.« Er streckte den Arm aus und auf seiner Epidermis erschien dieselbe Maserung.
»Ich lag schwer verletzt im Krankenhaus. Hatte wirklich andere Sorgen. Prompt bekam ich auch noch die Influenza. Lars hat mir zum Trost das Chamäleon mitgebracht. Eine Fliege war mir ins Auge geflogen, das Chamäleon saß auf meiner Brust, schnellte die lange Zunge hervor. Ich war die Fliege los... aber dafür wurde ich vermutlich die einzige Chamäleon-Chimäre weltweit, denn ahnungslos wie alle nahm ich Hormone, um wieder auf die Beine zu kommen.«
Er hielt seinen Arm immer noch ausgestreckt. Josi strich sanft darüber. »Du hast es gar nicht so schlecht getroffen. Kannst dich verstecken, wenn dir danach zumute ist.«
Constantin seufzte. »Genau das mache ich hier. Und Lars ebenfalls. So wie er jetzt aussieht, will er nicht mehr bei seiner Familie leben.«
»Er ist Schwede, nicht wahr?«
»Denen gehört das Bootsbau-Unternehmen Lundberg & Son. Ich bin froh ihn hier zu haben. Die Corvette haben wir zusammen geplant. Lars ist ein genialer Bootsbauer. Er kennt jedes Detail auf dem Schiff in- und auswendig. Hat alles hingekriegt, was ich haben wollte. Hier ist er jetzt Bootsmann und Koch zugleich.« Constantins Stimme wurde leiser. »Solange Ben nicht kocht. Aber das geht nie lange gut. Hamburger und Pommes. Da steht Lars gar nicht drauf.«
»Und Yu und Ben? Auch Schulfreunde?«, wollte Josi wissen.
»Nein. Yu ist aus China geflüchtet. Sie war Hochleistungssportlerin. Ben war mal Bodyguard bei der vorletzten amerikanischen Präsidentin…
»Auch er hat Hormone genommen?«
»In der Tat.«
Josi erzählte ein wenig über die Familie Hilden. Schließlich machte sie eine Pause und blickte zum Himmel. »Ethan war eigentlich ganz okay. Den hatte ich völlig falsch eingeschätzt.«
»Er ist vermögend. Das macht ihn nicht automatisch zum Snob.«
Die Schiffsglocke bimmelte.
»Essen?«
Constantin schnalzte mit der Zunge. »Was bin ich froh, nur ein Chamäleonauge bekommen zu haben. Die insektenfressende Schleuderzunge blieb mir erspart.« Er erhob sich. »Kommst du klar?«
Josi nickte. Sie robbte bis zur ersten Treppe und schob sich dann über die Stufen nach unten. Dort hob Lars sie in den Rollstuhl.
Kaum war das Essen vorbei, schaltete Ben den Monitor in der Ecke an.
»Ton lauter!«, grunzte Lars, doch die Voice-Steuerung reagierte nicht. Er begann die schmutzigen Teller übereinander zu stapeln, das Geschirr klapperte. Lars trug Schüsseln und Besteck zum Geschirrspüler und räumte ein.
»Endlich!«, zischte Yu . »Ruhe!«
Über den Monitor flimmerten Bilder eines Bombardements auf eine dörfliche Siedlung. Unter den Aufnahmen stand » no comment «. Dorfbewohner hatten sich hinter einer Straßensperre verschanzt. Sie trugen ärmliche, abgewetzte Kleidung und Tücher vor den Gesichtern. Panzer hielten auf sie zu. Es wurde geschossen. Frauen und Kinder kreischten, Männer schrien hektisch.
Ein Nachrichtensprecher erschien im Bild. »Das sind die jüngsten Veröffentlichungen der Geheimorganisation FlashAC , hauptsächlich bekannt durch ihre Vorwürfe gegen Pharma und Regierungen. Jetzt behaupten die illegal operierenden Nachrichten-Aktivisten, die chinesische Regierung habe dem eigenen Volk den Krieg erklärt. In diesem Zusammenhang stellt sich wieder die Frage, wer steckt
Weitere Kostenlose Bücher