2030 - Chimaerenblut
dazu, dass sie Kiki und Serafina bekam.«
»Das habe ich nicht gewusst«, murmelte Josi und senkte den Blick.
»Können wir jetzt gehen?«
29
Montag, 20. Mai, Berlin:
»Was verschafft mir die Ehre? Bist du krank?« Marcus Mills Stimme dröhnte. Er erhob sich hinter seinem Schreibtisch und reichte Thomas Garden die Hand. »Setz dich!«
»Ich bin nicht krank. Es ist nur…« Er räusperte sich. »Hast du von den Vorwürfen von FlashAC gehört?«
Die Augen des Allgemeinmediziners weiteten sich. »Sag bloß, es geht um die Fabrik, in die Josi eingebrochen ist?«
»Könnte sie sich angesteckt haben?«
»Sie hat doch nur Fotos gemacht. So ein Virus überspringt nicht einfach die Artengrenze vom Huhn zum Menschen. Da müsste schon Blut geflossen sein. Ich kann dich beruhigen. Du siehst Gespenster.«
»Vielleicht sollte ich sie zurückholen und von einem Arzt untersuchen lassen.«
»Mein Lieber, in den USA gibt es auch Ärzte. Sie ist schließlich nicht auf dem Mond. Aber wenn ich dir einen Tipp geben darf, halte sie aus Massenansammlungen heraus, von Flughäfen fern und…« Marcus Mill überlegte einen Moment. »Sie ist bei den Hildens gut aufgehoben. Bodyguards und ein zurückgezogenes Leben auf einem abgeschotteten Anwesen, Reisen im Privatjet, womöglich noch Urlaub auf einer Luxusyacht.« Mills Mund lächelte, aber seine Augen blieben distanziert. »Ich wüsste nicht, wo sie sicherer wäre. Gerade jetzt.«
»Das klingt, als wüsstest du mehr?« Thomas Garden war sich nicht mehr sicher, ob sie über dasselbe sprachen.
Mill schüttelte den Kopf.
Garden kniff die Augen zusammen. »Marcus, gibt es da etwas, was ich wissen sollte?«
»Nun, es ist nur… ich kenne da jemanden, der um ein Gutachten gebeten wurde, ob die Chimären-Veränderungen auch von anderen Hormonen beeinflusst werden könnten.«
»Zum Beispiel?«
»Adrenalin.«
»Es geht um meine Tochter.« Thomas Garden merkte, wie er innerlich zu kochen begann.
»Du vergisst, sie ist immerhin auch meine Stieftochter. Und nein, es geht nicht nur um sie. Die Regierung hat vor ein paar Tagen Zusagen in Höhe von einhundert Millionen für die Gutachten gemacht. Das Förderprojekt soll ein neues Antivirusmittel zur Marktreife bringen. Es soll fehlgesteuerte Transposons aufspüren und ausschalten. Das würde nicht nur bei Viren funktionieren, die im Co-Verbund mit Wachstumshormonen arbeiten sondern grundsätzlich. Die Regierung unterstützt keine Projekte und gibt keine Gutachten in Auftrag, wenn sie nicht einen Verdacht hat.«
»Du sprichst von einem neuen Virus?«
»Möglicherweise.«
»Und es dockt an anderen Hormonen an...«
Mill zögerte für den Bruchteil einer Sekunde. »Es könnte mutiert sein. Wenn da was dran ist, dann ist es das Klügste, sich jetzt von sämtlichen Menschenansammlungen fern zu halten. Sobald die Impfung auf dem Markt ist, gebe ich dir selbstverständlich Bescheid.« Marcus Mill lächelte sein typisches Ärztezuversichtslächeln .
Thomas Garden kannte diesen Blick, und er verabscheute ihn. Die Mediziner glaubten noch immer, sie könnten alles mit der richtigen Impfung in den Griff kriegen. Es hatte keinen Sinn. Hier kam er nicht weiter. Trotzdem konnte er sich eine bissige Bemerkung nicht verkneifen. »Vergiss nicht, die letzte Chimärenbildung wurde von einer Impfung ausgelöst.«
Mill lächelte. »Diese Impfung hat Millionen Menschen das Leben gerettet.«
»Sie hat sie zu Chimären gemacht.«
»Das konnte niemand ahnen. Ohne die Impfung wären all diese Menschen jetzt tot. Mensch Thomas, sollen wir wieder über die alten Dinge streiten?«
Thomas Garden schüttelte den Kopf. Es war ein Fehler, Mill um Rat zu fragen. Er hätte es sich gleich denken können. Sie würden niemals einer Meinung sein.
Zurück in seiner Wohnung ertappte er sich, wie er in einem Anfall von Wehmut die Tür zu Josis Zimmer öffnete und hineinsah. Der verlassene Raum ließ sein Herz zusammenkrampfen. Wenn ihr jemals etwas zustieße, er würde es nicht überleben. Er sah ihre Haarbürste auf dem Nachttisch liegen. Josi musste sie vergessen haben. Er griff nach der Bürste, in der ihre langen blonden Haare zu Knäueln verdreht waren. Im selben Moment wusste er was er zu tun hatte.
30
Montag, 20. Mai, Chicago:
»Bist du soweit?« Ethan blickte auf die Uhr. »Ich will nicht zu spät kommen.«
Josi sah ihn fragend an. »Was meinst du?«
»Die Uni. Ich nehme dich heute mit. Hab ich doch versprochen.«
»Und die Zwillinge?«
»Kiki und
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