2030 - Chimaerenblut
Spiegel. Größer waren sie geworden, aber nicht entzündet.
Es klopfte.
»Moment!« Sie wickelte den Schal um den Hals und öffnete die Tür.
»Honey, ich habe gerade eine Einladung zu einer spontanen Abschiedsparty bekommen. Viele reisen jetzt ab. Die Großstädte sind nicht mehr sicher. Das ist unsere Chance.«
»Und was soll ich auf einer Party?« Josi fasste sich an den Hals.
»Der Gastgeber hat einen Privatflugplatz und eigene Propellermaschinen. Vielleicht kann ich ihn überreden, und einer der Piloten fliegt dich nach Vegas rüber.«
»Das würdest du tun?«
»Versprechen kann ich nichts. Das ist eine megagroße Gefälligkeit, um die ich den Typen bitte.« Ethan verzog das Gesicht.
»Du magst ihn nicht?«
»Geht so. Mein Dad und sein Dad…«
»Versteh schon.« Josi räusperte sich. »Dann mach ich mich jetzt partytauglich … und danke!« Sie konnte gerade noch den Impuls unterdrücken, ihm einen Kuss auf die Wange zu geben.
In der nächsten halben Stunde suchte Josi alles, was sie bereits im Koffer hatte wieder heraus und verteilte es auf dem Bett. Sie hatte die Rechnung ohne ihre Füße gemacht. Die Zehen waren länger und durch die Schwimmhäute um mindestens eine Größe breiter geworden. Kein eleganter Schuh passte. Ich könnte die Sohlen aus den Reiterstiefeln nehmen und eine schwarze Hose dazu tragen… So überredest du niemanden zu einem Flug nach Las Vegas, diskutierte sie mit sich selbst.
Ratlos nahm sie die schwarzen Pumps in die Hand.
Schade.
Sie hatte die Schuhe nur einmal getragen, auf dem Abi-Abschlussball.
Ewig her.
Schließlich wählte sie den langen Rock von ihrer Zeugnisverleihung, trennte eine vordere Naht bis übers Knie auf und fixierte das Ende mit ein paar Stichen, die sie mit einem Steckohrring aus Swarovski-Kristallen verbarg. Perfekt!
Ethan drängelte hinter der Tür, wo sie bliebe. Sie sollte sich zum Dinner zeigen. In ihrer Eile riss sie ihn beinahe um und stolperte. Er fing sie an der Hüfte auf und starrte auf ihr freiliegendes Bein.
»Wow!«, sagte er und murmelte dann: »Ich glaube, ich sollte den Mund wieder zu machen.« Er ließ sie vorgehen. »Aber deine Schuhe scheinen rutschig zu sein. Sei vorsichtig auf der Treppe. Ich würde dich notfalls auch tragen.«
»Das könnte dir so passen.«
Der Hausherr musterte die beiden und wollte wissen, was sie vorhätten?
»Nur eine kleine Abschiedsparty bei den Johnsons«, antwortete Ethan betont lässig.
Begeisterungsstürme sahen anders aus. »Bei den Johnsons«, sinnierte Ethans Vater, »und nur in deren Villa?« Schließlich legte er die Serviette ab und stand auf. Er müsse auch noch weg, er würde den Mercedes nebst Bodyguard nehmen und sie auf der Party absetzen. Gegen ein Uhr wollte er sie wieder abholen.
Das Anwesen der Johnsons lag nur eine halbe Autostunde entfernt. Sie zeigten dem Kontrollposten am Tor ihre Einladungskarten und fuhren auf die Parkplätze. Hilden Senior stieg mit ihnen aus dem Fahrzeug und begrüßte einen jungen Mann. Er stellte sie einander vor: »Jeremy Menderny – Josefine Garden, ein Gast aus Deutschland.«
Immerhin hat er sich die Bezeichnung Gast-Au-pair verkniffen , dachte Josi.
»Es ist mir ein Vergnügen.« Jeremy Menderny deutete einen altmodischen Handkuss an, wobei er ihrem Ausschnitt ungehörig nahe kam.
Deine Manieren passen fabelhaft zu deiner Halbglatze . Sie zog die Hand weg und lächelte seine Begleiterin an, eine Blondine mit mohnrotem Lippenstift, die unter der Schminke umso farbloser wirkte.
»Dad, Josi, das ist Amy Schicco , die Verlobte «, stellte Ethan sie vor und zog dabei die Worte, die sie als bloßen Anhang kennzeichneten, genüsslich in die Breite.
Amy blickte Josi kühl an und machte sich nicht die Mühe, ihr die Hand zu geben.
So viel zur guten Erziehung .
Die Schiccotussi hakte sich bei Jeremy unter und drängelte zum Haus. Hilden Senior schaffte es gerade noch, Grüße an Jeremys Vater, Senator Menderny , zu übermitteln bevor die beiden die Treppen hinauf eilten. Er wünschte Josi und Ethan einen schönen Abend, stieg in seinen Mercedes und fuhr ab.
Treppen!
Notgedrungen nahm Josi Ethans angebotenen Arm und hielt sich mit der anderen Hand an der Brüstung fest. Sie hatte ihre Pumps mit einem scharfen Messer zu hackenfreien Sabots verstümmelt. Nun passten ihre Füße hinein, konnten aber mit jedem Schritt herausrutschen.
Josi hob den Kopf. Über dem Anwesen stand in Stein gemeißelt »Chateau Johnson«, doch das Gebäude war
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