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2030 - Chimaerenblut

2030 - Chimaerenblut

Titel: 2030 - Chimaerenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Twin , Mo Twin
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auch mit dem Fisch richtig lag, verschwieg er. Den würde Jonas sowieso nicht riechen können. Fisch stank nur, wenn er tot war. Josi roch auch nicht nach Fisch.
    Josi...
    Plötzlich waren die Erinnerungen wieder da. Leon fasste mechanisch in seine Jackentasche und fühlte den Hufeisenanhänger, den er ihr hatte schenken wollen. Der Glücksbringer. Er presste die Zähne aufeinander und hob das Bike aus dem Gras. Wir hatten einfach kein Glück , dachte er.
    Jonas erreichte das Gehöft vor Leon, da er den kürzeren Weg über die Wiese nahm. Leon sah, wie eine Frau und zwei Männer vor dem Haus erschienen und mit ihm sprachen. Als er die Gruppe erreichte, schien der Handel bereits perfekt.
    »Sie sind einverstanden«, empfing ihn Jonas.
    Ein kräftiger Kerl mit einer Narbe an der Stirn lehnte im Hauseingang und brummte etwas auf Polnisch. Jonas übersetzte: »Er sagt, wir brauchen unsere Pferde selbst.«
    »Ich bringe es zurück. Ihr habt mein Wort.«
    Der Mann mit der Narbe erwiderte erneut etwas, und Jonas übersetzte: »Ein Pfand wäre besser.«
    Sie einigten sich auf das Bike und die doppelte Miete, doch der Vernarbte machte weiterhin ein grimmiges Gesicht.
    Jonas half das Pferd zu satteln und reichte die Zügel. »Viel Spaß.«
    Leon entfernte sich im langsamen Trab vom Hof und schaltete die Navigation in seinem Kommunikator ein. Da er sich östlich von Warschau befand, wollte er sein Reitvergnügen mit den anderen Plänen verbinden. Er folgte einem Wirtschaftsweg und bog dann in einen Waldweg. Endlich war er außer Sichtweite des Hofes. Er zog an der Trense, drückte sich tief in den Sattel und presste die Knie in die Flanken. Das Pferd schnaufte. Leon atmete tief ein und lehnte sich gegen den Hals der Stute. Wie hatte er das vermisst. Dann richtete er sich wieder auf, blickte geradeaus und spornte das Tier zum Galopp an. Seiner Kehle entglitt ein Freudenschrei, als sie über den Weg galoppierten.

     
    Zwei Stunden später stoppte er am weitläufigen Zaun der Hühnerfabrik. Die Stute schwitzte. Leon zog an seinem Halstuch, um sich Luft zu verschaffen. Sie brauchten beide eine Pause. Keine Bäume, stellte er enttäuscht fest. Das Gelände war von allen Seiten einsehbar. Er wollte nicht leichtfertig auf sich aufmerksam machen und blieb auf Abstand. Es würde äußerst schwierig, hier einzubrechen. Man konnte unmöglich unbemerkt auf das Gelände kommen. Die Überwachungskameras registrierten jede Bewegung. Bis er eine Halle erreicht und die Tore geöffnet hätte, wären die Wachdienste bereits zur Stelle.
    Leon sah Laderampen, Anfahrtswege und Flachdachgebäude, die wie silberne Dominosteine in akkuraten Reihen angeordnet waren. Hier schien alles den strategischen und fabrikmäßigen Prozessen untergeordnet. Es gab keine schlecht einsehbare Lagerhalle wie in Berlin, keine wackeligen Anbauten oder Schuppen. Diese Anlage war auf dem Reißbrett geplant und gebaut worden. Ein elektronischer Zaun schützte vor unbefugtem Zutritt. Es schien aussichtslos von außen einzubrechen. Zudem hatte Leon keine Ahnung, wo er die Suche beginnen sollte.
    Er ahnte, er müsste die andere Idee versuchen. Er müsste sich, wie Wladimir ihm geraten hatte, als Arbeiter in die Fabrik einschleichen. Mit einem Fluch auf den Lippen fasste er sich an den Hals, wo er die Kiemen unter dem Tuch wusste. Ihm lief die Zeit davon. Er musste da irgendwie rein.
    Die Stute hob den Kopf und nahm die fremde Witterung auf. Er konnte die Hühner ebenfalls bis hier riechen. Eine penetrante Mischung aus Federn, Hühnerkot und Verwesung. Auch ohne einen Schritt in die Halle getan zu haben, wusste er, was da drinnen los war. Die sogenannte Bodenhaltung bestand aus Hühnern, die dicht gedrängt in ihrem Dreck standen. Es war immer dasselbe: Unter ihren Krallen lagen platt getretene Kadaver, weil sich niemand die Mühe machte, die toten Tiere zu entfernen. Die Hühner konnten sich kaum auf den Beinen halten, entweder weil sie vom Eierlegen ausgezehrt waren oder weil sie zu den Mastsorten gehörten, deren schwache Knochen und Beine das viele Fleisch nicht tragen konnten. Und demnächst sollte es Fisch-Hühner geben? Leon wusste, wenn diese abartige Zucht gelänge, dann würden die Tiere auf der Seite liegen oder in Netzen hängen und schalenlose Eier am Fließband durch die wunde aufgerissene Kloake drücken. Billig produzierte Industrieeier für Nudeln und Fertigkuchen. Natürlich nicht in Deutschland. Dafür gäbe es andere Orte, verschwiegenere. Aber Polen? Hier

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