2032 - Suche in der Silberwolke
Körperumfang gab es sowieso keine Unterschiede. Er mochte es nicht, als „Kleiner" angesprochen zu werden.
Sein Bruder gab ihm keine Gelegenheit für einen Protest. „Was ist das, Bruderherz? Oder weißt du das auch nicht?" Marth grinste herausfordernd. „Also - ich kann es dir nicht genau sagen", antwortete Necker mit stockender Stimme und fügte dann ebenso pfiffig wie nebulös hinzu: „Es ist das ungewöhnlichste Objekt, das ich bisher entdeckt habe."
„Da muß ich dir recht geben", polterte sein Bruder. Er faltete die groben Hände vor dem ausladenden Bauch und blickte von oben auf ihn herab.
Dabei lehnte er den Kopf so weit zurück, daß die kleinen Augen beinahe hinter dem Hügel seiner gewaltigen Oberlippe verschwanden. „Was könnte es denn sein?"
Necker fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund, und dann schluckte er zweimal, als habe er das Fleisch schon zwischen den Zähnen. Seine Gedanken kreisten wie ein von der Schwerkraft eingefangener Satellit um die vermutete Delikatesse in der Schlacke. Es gelang ihm kaum noch, an seine wissenschaftliche Aufgabe zu denken.
Seltsam, daß sein Bruder fragte. Erkannte er nicht, was sich da in der Schlacke verbarg? Die Umrisse zeigten deutlich die vier Beine, den Rumpf und den Kopf mit den aufgesetzten acht Hörnern.
Necker war kein Kostverächter der Bordküche. Ganz und gar nicht. Sie hatte einiges zu bieten. Doch wenn er natürlich gewachsenes Fleisch zwischen die Zähne bekommen konnte, verzichtete er auf das synthetische Angebot, so schmackhaft es auch sein mochte. „Sieht aus wie der Teil einer Blume", meinte Marth verwundert. „Es hat die Form von großen Blütenblättern."
Necker stutzte. Verblüfft blickte er Marth an. Hatte er sich verhört, oder litt sein Bruder unter Halluzinationen? Er hatte keine Blumenblätter gesehen.
Da er sich nicht anmerken lassen wollte, womit er sich gedanklich befaßt hatte, richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf die Hologalerie. Nun fiel es ihm förmlich ins Auge-Rings um das Objekt seiner Begierde herum befanden sich weitere, deutlich größere Objekte, von denen einige tatsächlich aussahen wie die ausgerupften Blätter einer Blüte. Sie waren etwa einen halben Meter lang und zwanzig Zentimeter breit.
Unwillkürlich griff er sich an den Kopf. Und jetzt verstand er nicht mehr, daß er diese Gegenstände übersehen hatte, obwohl sie sich so klar und deutlich in den Holos abzeichneten.
Verfluchte Freßlust! schalt er sich. Sie wird dich noch mal um deinen Verstand bringen. Was bei anderen die Frauen sind, ist bei dir der ständige Appetit! „Ja, erstaunlich, nicht wahr?" würgte er mit heiserer Stimme hervor. „Ich bemühe mich schon seit einiger Zeit, diese Dinge zu identifizieren und zu klassifizieren. Möglicherweise lohnt es sich, sie mit dem Desintegrator herauszulösen."
„Nur zu", ermunterte Marth ihn und wandte sich verschmitzt grinsend ab.
Necker entging das verdächtige Zucken in den Mundwinkeln seines Bruders nicht, und er schickte ihm einen lautlosen Fluch hinterher. Der Wortführer der Ravveds schien keineswegs übersehen zu haben, was ihn die ganze Zeit über fasziniert hatte!
Blütenblätter!
In dem zu untersuchenden Bereich hatten sie schon so einiges gefunden.
Nützliches und Nutzloses, Wichtiges und Unwichtiges. Zumeist hatte es sich um Geräte irgendwelcher Art gehandelt. Blütenblätter waren in keinem einzigen Fall dabeigewesen.
Aber natürlich ging es nicht wirklich um Blütenblätter - ganz im Gegensatz zu dem Braten -, sondern um Objekte, die so aussahen wie Blütenblätter.
Flüchtig dachte er daran, daß es sich trotz ihrer beachtlichen Größe im weitesten Sinne um Schmuckstücke oder Kunstwerke handeln könnte, verwarf aber diesen Gedanken wieder.
Shabazza war niemand gewesen, der sich mit Kunstgegenständen und prunkvollen Einrichtungen für seine Unterkünfte abgegeben hatte. Er war ein machtbesessenes Ungeheuer gewesen, ein zynisches, menschenverachtendes Monster, das sich mit derlei Dingen nicht befaßt hatte.
Woher aber kamen jene Blütenblätter, und welche Bedeutung hatten sie?
Necker beschloß, sie aus der Schlacke zu bergen.
Bevor er mit der Arbeit beginnen konnte, mußte er die Objekte genau lokalisieren und sicherstellen, daß sie keinerlei Verbindung zu anderen Gegenständen hatten. Er durfte und wollte nichts zerstören, was an Relikten im über die SOL hereingebrochenen Höllenfeuer noch erhalten geblieben war.
Während er sich an die filigrane
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