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204 - An Afras Ufern

204 - An Afras Ufern

Titel: 204 - An Afras Ufern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia Zorn
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einem Riesenpaket zusammengeschnürt waren. Er hielt sich an den Seilen fest und umrundete den Ballen. Der Wind riss an seinen Haaren. Zehn Schritte vor ihm ragte der Mast des Großtops dunkel in den Himmel. Rulfan wankte zu ihm hinüber. Keuchend klammerte er sich an das nasse Holz. Einen Steinwurf von ihm entfernt kauerte eine Gestalt auf dem Boden. Vor ihm hockte der kleine Affe.
    Das kann nur Ohnzung sein, dachte Rulfan und wollte zu ihm eilen. Aber etwas an der Haltung der beiden Gestalten ließ Rulfan bleiben, wo er war: Der Lemuur hatte seinen Schwanz um Ohnzungs Fußgelenk gewickelt. Sein Maul war weit geöffnet und seine winzigen Arme seinem Herrn entgegengestreckt. Offensichtlich wollte er auf Ohnzungs Schulter klettern. Aber der ließ es nicht zu. Abwechselnd stieß er den Lemuur von sich und wischte sich über die Wangen.
    War der kleine Affe auch krank?
    Rulfan fiel plötzlich ein, dass auch der Lemuur und Ohnzung bisher keine Symptome der Krankheit zeigten. Nur dass der Stumme aus Madagaskar ab und zu Aufgaben vergaß, die man ihm auftrug. Aber was tat er jetzt? War das nicht ein Messer in seiner Hand?
    Rulfan ging in die Hocke und schlich sich näher heran.
    Tatsächlich! Ohnzung hielt in seiner Rechten einen blitzenden Dolch. Mit der Linken packte er den Nacken des Lemuurs. Und bevor Rulfan Luft holen konnte, glitt die Klinge durch die Kehle des kleinen Affen.
    Ohnzung ließ das Messer fallen. Er drückte das leblose Fellknäuel an seine Brust. Langsam zog er sich hoch. Mit beiden Händen hob er den toten Lemuur über die Reling.
    Lange Zeit stand er reglos im Sturm. Es sah aus, als wollte er das Tier dem Meer opfern. Mit einem Mal legte er seinen Kopf in den Nacken. Ein kehliges Heulen vermischte sich mit dem Brüllen des Windes. Dann übergab er Little Master dem tosenden Wasser.
    ***
    In der Weißen Wüste
    Nachdem Yamina sich mit einem lauten Knurren erhoben hatte, wühlte sich auch Phillis aus dem Sand. In einiger Entfernung rupfte das Proviant-Kamshaa trockenes Gras zwischen zwei Findlingen hervor. Auch Phillis hatte Hunger.
    Aber erst einmal musste sie sich vom Sand befreien. Sie öffnete Tücher und Turban, die ihr Gesicht und den Kopf verhüllten. Langes schwarzes Haar fiel über ihre Schultern.
    Die schlanke Frau spuckte mehrmals und putzte sich die Nase, um die feinen Sandkörner loszuwerden. Während sie sich die Augenwinkel rieb, streifte ihr Blick den kleinen Hügel, der einen Steinwurf vor ihr aufragte. Er leuchtete golden im Morgenlicht. Erst auf den zweiten Blick wurde ihr klar, dass es die Stelle war, an der Nabende sich gestern hinter seinem Kamshaa eingegraben hatte. Das Tier war noch nicht aufgestanden! Das hatte nichts Gutes zu bedeuten!
    Zögernd näherte sie sich der Stelle. »Nabende!«, rief sie laut. »Nabende!« Doch es kam keine Antwort. Sie rannte zu der Sanderhebung und sank auf die Knie. Wahllos fing sie irgendwo an zu graben. Ihre Finger stießen auf etwas Weiches.
    Sie wischte vorsichtig Sand und kleine Steine zur Seite.
    Schließlich glotzte sie ein großes trübes Auge an.
    Phillis wich zurück. Nabendes Kamshaa! Mühsam rappelte sie sich auf die Beine. Das Tier war tot! Wie konnte das sein?
    Sie wechselte zur anderen Seite des Kamshaa-Kadavers und begann aufs Neue zu graben. »Nabende!« Irgendwann stießen ihre Hände ins Leere. »Nabende!« Ein Stöhnen antwortete ihr aus dem Hohlraum vor ihren Knien. Phillis atmete auf. Er lebte! »Bleib ganz ruhig, ich hole dich raus!«
    »Pass auf!«, keuchte Nabende. »Scorpocs!«
    Blitzschnell zog Phillis ihre Hände zurück. Ohne lange zu überlegen, sprang sie auf die Füße, lief zu ihrem Reittier und holte ein Kurzschwert aus der Satteltasche. Sie eilte zurück und grub vorsichtig mit dem Schwert weiter. Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis sie Nabendes Körper freigelegt hatte. Ihre Augen schmerzten: Jedes Sandhäufchen starrte Phillis an, in der Erwartung, dass eines der giftigen Tiere daraus hervorspringen könnte. Aber sie entdeckte weit und breit keinen Scorpoc. Erst als sie den Körper des schweren Mannes zur Seite rollte, sah sie die Spinnentiere. Unzählige huschten aus der entstandenen Lücke. Andere hingen im Fell des Kamshaa-Kadavers. Es waren noch Jungtiere, keinen Finger lang.
    Phillis hob ihr Schwert, aber die Scorpoc-Brut stob auseinander und krabbelte in Windeseile davon.
    Die Tochter des Stammesführers steckte ihr Kurzschwert in den Boden. Sie legte Nabendes Kopf auf ihren Schoß.
    Während sie sein

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