205 - Das Zeichen der Ewigkeit
Augen aufschlug.
»Hallo!«, sagte sie sanft. »Du brauchst dich nicht zu fürch…«
Aruula stutzte. Der Mann war erneut in Ohnmacht gefallen.
»Meine Güte, was ist mit ihm?«, fragte sie verwirrt. Sie wandte sich an den Daa’muren. »Du solltest eine menschliche Gestalt annehmen, sonst wird das nichts.«
Grao’sil’aana stand wortlos auf. Er schlenderte zwischen der Schiffsladung hindurch zu Daa’tan hinüber, zog im Vorbeigehen ein Stück Stoff aus einer der aufgeplatzten Kisten und knotete es um die Hüften. Seine Haut wurde braun. Bis er den Jungen erreichte, sah der Daa’mure aus wie der Mann am Boden, nur mit anderen Gesichtszügen und grobporiger Haut.
Der Fremde im Sand erwachte wieder. Er schlug die Augen auf, sie bewegten sich, wurden groß. Er krächzte andächtig:
»Brüste! Und was für welche! Bei Reephis! Bin ich tot und im Paradies?«
Aruula stutzte. War er deshalb vorhin in Ohnmacht gefallen, als sie sich über ihn gebeugt hatte? Männer!
»Nein. Du liegst am Nilufer«, sagte die Barbarin kühl. »Wer bist du, und wieso sprichst du meine Sprache?«
»Hadban El-Abbas«, sagte der Mann. Es klang wie ein Fluch, doch es war sein Name. Ächzend richtete sich Hadban auf, wischte den Sand von seinen wunden Armen, verzog das Gesicht. Sein Blick wanderte hinüber zur Ladung, zu den Toten, dem zertretenen Schilf. Dahinter ragte ein gebrochener, schwarz verbrannter Mast auf. Hadban griff sich an die Brust.
Seine Erinnerung schien zurückzukehren, denn er begann unvermittelt zu schluchzen.
»Verloren! Ich hab’s verloren! O ihr Götter!« Weinend erhob er sich und taumelte auf das Ufer zu. Aruula folgte dem Mann, um ihn zu stützen.
»Es tut mir Leid um deine Leute«, sagte sie. »Wart ihr Sklaven auf dem Schiff?«
»Sklaven?«, rief Hadban. Erwischte sich die Tränen fort.
»Das war mein Schiff!«
Dann ging er wieder auf die Knie, suchte und wühlte im Sand herum. Die Toten ignorierte er, rührte auch die Kisten und Säcke nicht an. Aruula betrachtete die Beule auf seinem kahlen Schädel und nickte. Der Schlag auf den Kopf hat seine Gedanken durcheinander geschüttelt. Er muss sie erst wieder ordnen.
Um ihm dabei zu helfen, fragte sie: »Kannst du dich noch daran erinnern, wie die Turbanträger dein Schiff angegriffen haben?«
Hadban stutzte. »Welche Turbanträger?« Er hatte das verknotete Ende einer Lederschnur entdeckt, das aus dem nassen Ufersand ragte. Hastig begann er zu graben.
Aruula ließ nicht locker. »Turbanträger, bunt gekleidet, auf Pferden. Sie haben dein Schiff in Brand geschossen.«
Ohne den Kopf zu heben, antwortete Hadban: »Was du da beschreibst, sind Berba. Die tun so was nicht. Sie leben auch gar nicht in dieser Gegend.« Er zog ein kleines Säckchen aus dem Sand, wischte es ab und bedeckte es mit tausend Küssen.
Dann hängte er es an der Lederschnur um seinen Hals und sah zu Aruula auf. »Nein, mein Schiff haben Mossari überfallen! Diese verfluchten schwarzen Teufel! Ich hoffe, der König wird sie besiegen und in Stücke reißen.«
Sein Blick wanderte von Aruula zu Daa’tan, Grao’sil’aana und zurück. »Ihr seid alle bewaffnet! Wolltet ihr mich etwa vor den Mossari verteidigen? Bei Amentu! Was für ein Glück, dass ihr noch lebt! Wie habt ihr das geschafft?«
Die Barbarin sah unbehaglich zur Seite. »Äh… das spielt keine Rolle. Erzähl mir lieber, wieso du meine Sprache sprichst!«
»Na ja, ich bin Händler. Ich mache Geschäfte mit den Nachbarstaaten und den Tuurks, da muss man sich verständigen können. Die Sprache der Wandernden Völker kennen viele aus meinem Gewerbe.«
»Womit handelst du denn?«, fragte Daa’tan.
»Mit hochwertigen Waren«, erwiderte Hadban ausweichend.
Aruula lachte lautlos. Sie setzte sich in Bewegung und raunte ihrem Sohn im Vorbeigehen zu: »Er meint Sklaven!«
»Na und? Das ist nichts Ehrenrühriges!«, rief Hadban.
»Nein.« Die Barbarin zeigte nach Westen. »Aber wenn du auch Morgen noch welche verkaufen möchtest, sollten wir vielleicht besser verschwinden! Da kommen Reiter!«
***
»Er hat gelogen! Ich weiß, dass er gelogen hat!«, unkte Ramid vor sich hin, während er sein Kamshaa Richtung Nilufer trieb.
»Nasrallah kann gar nicht anders als lügen, er ist ein Berba, die haben das im Blut! Also warum tue ich mir das an, in der Mittagshitze durch die Gegend zu reiten?«
Wegen der nackten Frau, antwortete sein innerer Schweinehund prompt, und der war wirklich einer! Er ließ sich nie überwinden, dafür
Weitere Kostenlose Bücher