2052. Der neue Bericht an den Club of Rome (German Edition)

dass sie Regionen umfassen, die weniger stark betroffen sind. Ihre Ausgangspositionen sind sehr unterschiedlich: Die Vereinigten Staaten sind reich, China, dessen Pro-Kopf-BIP heute ein Sechstel des US-amerikanischen Pro-Kopf-BIP ausmacht, ist wesentlich ärmer. Ihre Regierungssysteme sind unterschiedlich und werden es auch bleiben und genau das wird China helfen, noch schneller voranzukommen, während die Vereinigten Staaten zurückfallen. Diese Entwicklung wird aber keinen Krieg heraufbeschwören, da es Chinas erklärtes Ziel ist, autark zu sein.
    7. Werden wir einen stärkeren Staat sehen?
    Ja, aber nicht überall.
    In den kommenden Jahrzehnten werden neue Probleme auf die Welt zukommen – über die bestehenden Herausforderungen hinaus, Wirtschaftswachstum zu generieren und soziale Stabilität zu wahren. Einige dieser Probleme werden nicht so einfach vom Markt gelöst werden können.
    Paradebeispiel ist der Klimawandel, denn er ist ein wirklich globales Problem: Die Temperaturen steigen überall, unabhängig von der Quelle der Emissionen. Und er ist ein wahrhaft langfristiges Problem: Die Temperaturen werden erst 30 Jahre nach dem Ergreifen der ersten, dem Problem angemessenen Maßnahmen reagieren (also ihren heutigen Pfad verlassen). 4 Solche wirklich globalen und wirklich langfristigen Probleme sind nur schwer zu lösen, wenn man sich auf die Kräfte des »freien« Marktes beschränkt.
    Es ist auch wahrscheinlich, dass der Staat intervenieren muss, um der immer ungleicheren Verteilung von Einkommen und Reichtum entgegenzuwirken, die sich als natürliche Folge des freien Marktes kontinuierlich verschärft. Sogar die eingefleischtesten Liberalen beginnen zu erkennen, dass Umverteilung nichts ist, wofür der Markt automatisch sorgt, sondern dass eine Umverteilung durch politische Maßnahmen (zum Beispiel Besteuerung) erfolgen muss. Kollektiv vereinbarte Maßnahmen sind notwendig, um die Ungerechtigkeit zu beseitigen, die ein potenziell destabilisierender Faktor der Wirtschaft sein kann.
    Ein weiterer Grund, warum die Zeit für einen stärkeren Staat gekommen sein mag, ist die historische Tatsache, dass die Welt seit 25 Jahren in einer Phase der immer weiter voranschreitenden Liberalisierung ist. Es ist daher wahrscheinlich, dass die meisten Probleme, die durch den freien Markt gelöst werden können, bereits gelöst sind. Führen wir die aktuelle Phase der Liberalisierung weiter, kommen wir in eine Situation, in der der freie Markt alle für ihn bewältigbaren Probleme gelöst hat und uns die für ihn unlösbaren bleiben. Bevor es dazu kommt, wird die Gesellschaft wieder Lösungen suchen, die auf politischen Maßnahmen, nicht auf relativen Preisen beruhen.
    In einigen Ländern wird die Forderung nach einem starken Staat laut werden, der dem demokratischen Hin und Her ein Ende macht und für eine klare und effektive Politik sorgt, auch wenn das weniger Demokratie und weniger freien Markt bedeutet. Und wie schnell wird das geschehen? Ich denke, wir befinden uns nahe dem Wendepunkt in der langsamen gesellschaftlichen Pendelbewegung zwischen Liberalismus und starkem Staat. In den kommenden 20 Jahren werden wir häufiger sehen, dass der Staat interveniert und notwendige Entscheidungen trifft, anstatt zu warten, dass der Markt die Führung übernimmt.
    Es ist schwer zu sagen, wo der starke Staat zuerst auftauchen wird, aber wahrscheinliche Kandidaten sind die Länder, die durch die liberale Ideologie an den Abgrund gedrängt wurden, und solche, die auf eine Geschichte erfolgreicher Regierungen zurückblicken. In der Zwischenzeit sehen zentralistische Verwaltungen wie etwa in Singapur zunehmend gut aus, solange sie den Trend zu wachsender Ungerechtigkeit im Griff haben. Der Kampf gegen Korruption ist ein erster und wichtiger Schritt in diese Richtung.
    Um Missverständnisse zu vermeiden, möchte ich an einem Beispiel erläutern, was für mich »starker Staat« bedeutet: Ein starker Staat kann ein Land dazu bewegen, von billiger und schmutziger fossiler Energie auf teurere Solarenergie umzusteigen – und zwar bevor Letztere wettbewerbsfähig ist. Ein starker Staat handelt im langfristigen Interesse der Menschen, auch wenn diese kurzfristig nicht damit einverstanden sind. Ein starker Staat trotzt nicht nur dem Widerstand der derzeitigen Energieindustrie, sondern auch dem Widerstand der Mehrheit der Wähler, die kurzfristig möglichst billige Energie möchten. Ein starker Staat ist auch in der Lage, die Menschen zu