2052. Der neue Bericht an den Club of Rome (German Edition)
Wirtschaftshistoriker. Er beschäftigt sich seit 20 Jahren mit den politischen, wirtschaftlichen und finanziellen Dimensionen von nachhaltiger Entwicklung und ist Autor von The Corporation That Changed the World: How the East India Company Shaped the Modern Multinational (2006) und Mitherausgeber von Sustainable Investing: The Art of Long-Term Performance (2008) .
Die Welt muss lernen, mit geringerem Wirtschaftswachstum als heute üblich zu leben. Das gelingt uns nur, wenn wir auch lernen, wie man ohne Wachstum umverteilt. In einer stagnierenden Wirtschaft kann man nicht auf Beschäftigungswachstum setzen, um den wirtschaftlichen Überschuss zu verteilen. Wenn nichts Tiefgreifendes passiert, wird geringes Wirtschaftswachstum zu hoher Arbeitslosigkeit führen. Die Geschichte hat uns gelehrt, dass sich hohe und steigende Arbeitslosenquoten nicht über Jahrzehnte halten lassen – früher oder später muss eingegriffen werden, damit die Lage nicht vollends eskaliert.
Intelligente Gesellschaften finden friedliche Wege, um das BIP gerechter zu verteilen, etwa durch steuerfinanzierte öffentliche Arbeitsplätze, Jobsharing oder die Verkürzung der Arbeitszeit. Letzteres wurde in Frankreich während der 2000er-Jahre probiert. Die französische Regierung versuchte, die 35-Stunden-Woche durchzusetzen, um die vorhandene Arbeit auf mehr Menschen zu verteilen. Das hat allerdings nicht funktioniert, denn die, die Arbeit hatten, wollten sie nicht teilen. Frankreich hätte vielleicht besser daran getan, anstatt der 35-Stunden-Woche obligatorisch zehn Wochen Urlaub pro Jahr einzuführen, was das Arbeitsjahr verkürzt hätte. Mehrere OECD-Länder haben ihre großzügigen Rentensysteme mit mehr Erfolg reformiert, damit die Beschäftigen nicht unzumutbar hohe und nicht nachhaltige Beträge erwirtschaften müssen, um die Renten der Alten zu finanzieren.
Aber wenn es nicht die Weisen und Weitsichtigen sind, die für mehr Gerechtigkeit sorgen, dann werden es die Jungen und Arbeitslosen sein, die ihnen Beine machen. Ich habe bereits den naiven Glauben der meisten Erwachsenen heute im Westen erwähnt, dass die Jungen die Schuldenberge widerspruchslos abtragen werden, die die vergangene Generation aufgehäuft hat, ohne sich dabei denselben Lebensstil leisten zu können wie ihre Eltern. Ihre Frustration wird mit der wachsenden Erkenntnis zusammenfallen, dass Lebensqualität mehr ist als materieller Wohlstand. Das Ergebnis wird Veränderung sein – Rebellion ist vielleicht der passendere Begriff. Die Jungen werden nicht unbedingt gewalttätig rebellieren, aber doch so stark, dass sie die Besitzverhältnisse hinter den Zahlen der Bilanzposten in Banken und Volkswirtschaften nachhaltig verändern.
KAPITEL 10
Fünf regionale Zukünfte im Blick auf 2052
B isher haben wir die Zukunft weltumfassend betrachtet und die Prognose in globalen Mittelwerten präsentiert: durchschnittliche Zahl der Kinder, durchschnittliches Produktivitätswachstum und durchschnittliche Bereitschaft, in die Zukunft zu investieren. Tatsächlich wird es jedoch je nach Weltregion enorme Abweichungen von den globalen Durchschnittswerten geben. Der Weg ins Jahr 2052 wird in den verschiedenen Regionen signifikant unterschiedlich verlaufen.
Der mittlere Meeresspiegel wird bis 2052 um weitere zirka 36 Zentimeter ansteigen, was bedeutet, einige Gebiete werden im wörtlichen Sinne unter Wasser sein, während andere wegen ihrer felsigen und steilen Küsten nicht einmal etwas bemerken werden. Der globale durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch bleibt von 2040 bis 2052 im Wesentlichen stabil; in einigen Regionen (etwa China) wird er jedoch wachsen, während andere (zum Beispiel die Vereinigten Staaten) einen Rückgang ihrer Kaufkraft erleben werden. Das Gleiche gilt für den Energieverbrauch: Nach 2030 stabilisiert sich der globale Energieverbrauch; in einigen Regionen wird er jedoch ansteigen und in anderen sich verringern. Alle Regionen der Erde werden ein sich verschlechterndes Klima und das allmähliche Verschwinden alles in dieser Hinsicht bislang Üblichen erleben.
Der einfachste Weg, diese Dinge darzustellen, ist, die etwa 234 Länder der Welt 1 in Regionen aufzuteilen und die logische Struktur meiner Prognose auf jede dieser Regionen anzuwenden. Vereinfacht wird diese Aufgabe dadurch, dass es nur elf Länder mit über 100 Millionen und nur 40 mit mehr als 30 Millionen Einwohnern gibt. Diese 40 Staaten umfassen 80 Prozent der Weltbevölkerung und einen noch viel größeren
Weitere Kostenlose Bücher