2052. Der neue Bericht an den Club of Rome (German Edition)
widerlegen, ob ich lieber in einer Höhle leben und im Dunkeln frieren würde, als alle die historischen Wohltaten des Wachstums zu akzeptieren. Die Antwort ist ein klares Nein. Meiner Meinung nach ist der kumulative Gesamtnutzen des Wachstums bis heute größer als die kumulativen Gesamtkosten, auch wenn das von manchen Wirtschaftshistorikern bestritten wird. Auf jeden Fall können wir die Vergangenheit nicht ungeschehen machen und sollten denjenigen dankbar sein, die die Kosten für den Reichtum bezahlten, den wir heute genießen. Wie aber jeder Ökonom wissen sollte, sind es die Grenzkosten (und nicht die Gesamtkosten) und der Grenznutzen , auf die es bei der Definition, wann Wachstum unwirtschaftlich wird, ankommt. Der Grenznutzen nimmt ab, weil wir unsere dringendsten Bedürfnisse zuerst befriedigen; die Grenzkosten steigen, weil wir die am leichtesten zugänglichen Ressourcen zuerst nutzen und die nicht ganz so lebenswichtigen Ökosystemdienstleistungen zuerst opfern, während wir wachsen (und die Natur in Artefakte umwandeln). Ist der Grenznutzen eines dritten Autos die Grenzkosten von Klimagefährdung und Anstieg des Meeresspiegels wert? Abnehmender Grenznutzen und steigende Grenzkosten werden sich angleichen, während der Nettonutzen positiv ist – tatsächlich genau dann, wenn der Nettonutzen des bisherigen Wachstums sein Maximum erreicht!
Keiner hat etwas gegen das Reicherwerden, zumindest nicht bis zu einem ausreichenden Niveau. Besser reich als arm, das ist eine Binsenweisheit. Dass aber Wachstum uns in jedem Fall reicher macht, das ist ein elementarer Fehler selbst nach den Grundprinzipien der herkömmlichen Wirtschaftswissenschaft.
Wie bereits gesagt, wollen wir eigentlich gar nicht wissen, wann Wachstum unwirtschaftlich wird, weil wir dann an diesem Punkt aufhören müssten zu wachsen – und wir wissen nicht, wie man eine Wirtschaft im Gleichgewichtszustand organisiert, und sind einer Ideologie der Grenzenlosigkeit geradezu religiös verpflichtet. Wir möchten gerne glauben, dass Wachstum die Armut beseitigen kann, ohne dass wir teilen müssten und ohne dass die Nische, die die Schöpfung dem Menschen bereitstellt, dadurch in ihrem Ausmaß beschränkt würde. Damit wir den Zustand der Selbsttäuschung aufrechterhalten können, bringen wir zwei unterschiedliche Bedeutungen des Begriffs »wirtschaftliches Wachstum« durcheinander. Manchmal bezieht er sich auf das Wachstum dessen, was wir die Wirtschaft nennen (das physische Teilsystem unserer Welt, das sich aus dem Bevölkerungs-und Vermögensbestand sowie den Produktions- und Konsumflüssen zusammensetzt). Wenn die Wirtschaft materiell größer wird, nennen wir das »wirtschaftliches Wachstum«. Der Begriff hat aber auch eine zweite, ganz andere Bedeutung. Wenn eine Aktivität dazu führt, dass Nutzen stärker ansteigt als Kosten, nennen wir dies eine »wirtschaftliche« Aktivität. In diesem Sinn ist »wirtschaftliches Wachstum« ein Wachstum, das einen Nettonutzen oder einen Gewinn erbringt. Bedeutet nun »wirtschaftliches Wachstum« in der ersten Bedeutung auch »wirtschaftliches Wachstum« in der zweiten? Ganz sicher nicht. Die Vorstellung, eine größere Wirtschaft mache uns automatisch reicher, beruht auf einer reinen Verwechslung.
Dass Ökonomen zu einer solchen Verwechslung beitragen, ist merkwürdig; denn die gesamte Mikroökonomie ist eigentlich dem Ziel gewidmet, die optimale Größenordnung einer bestimmten Aktivität zu finden, also den Punkt, ab dem die Grenzkosten den Grenznutzen überschreiten und demzufolge weiteres Wachstum unwirtschaftlich wäre. Aus der Mikroökonomie leitet sich gar die Regel ab, dass ein Unternehmen aufhören sollte zu wachsen, wenn der Grenzerlös gleich den Grenzkosten ist. Warum löst sich diese simple Optimierungslogik in der Makroökonomie in Luft auf? Warum unterliegt das Wachstum der Makroökonomie nicht auch einer entsprechenden Regel für das Aufhören?
Wir verstehen zwar, dass alle mikroökonomischen Aktivitäten Teil des größeren makroökonomischen Systems sind und dass deren Wachstum Verdrängung und Verlust anderer Teile des Systems verursacht. Von der Makroökonomie aber glaubt man, dass sie quasi im freien Raum schwebt, und wenn sie sich ausdehnt, ins Nichts vermutlich, dann verdrängt sie nichts anderes und es fallen deshalb auch keine Opportunitätskosten an. Aber das stimmt natürlich nicht. Die Makroökonomie ist ebenfalls Teil von etwas, ein Subsystem der Biosphäre, Teil der größeren
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